«Keine eierlegende Wollmilchschweine»

Mi, 30. Nov. 2016
Erfahren, selbstbewusst, aktiv und offen für Gespräche: Roland Hämmerle, Sozialdiakon bei der Kirchgemeinde Gontenschwil-Zetzwil. (Bild: zVg.)

Glaube, Religion, Kirchen: Geraten sie in die Schlagzeilen, werden selten werden die alltäglichen Arbeiten im grossen Stil hervorgehoben. Ist die Kirche in ihrem traditionellen Dasein ein Auslaufmodell? WB-Redaktor Remo Conoci befragte dazu Roland Hämmerle, Sozialdiakon der ref. Kirchgemeinde Gontenschwil-Zetzwil.

Roland Hämmerle, die meisten Leute dürften Mühe haben, den Begriff «Sozialdiakon» ohne Google zu erklären. Was sind Ihre Aufgaben?

«Als Sozialdiakon befasse ich mich mit der Diakonie, das bedeutet, dass ich mich um Menschen aller Art kümmere (diakonia bedeutet «Dienst»). Einige Menschen, die meist am Rande unserer Gesellschaft stehen, sind besonders bedürftig. Ich betreue auch Altersgruppen von Menschen, am intensivsten die Jugendlichen im Unterricht von der 7. Klasse bis zur Konfirmation, und die Senioren.Da ich ursprünglich ein Theologiestudium absolviert habe, erfülle ich in der Kirchgemeinde auch theologische Aufgaben.»

Würden Sie sich als Marketingchef oder sogar Manager der Kirchgemeinde bezeichnen?

«Es gibt in der Bevölkerung immer noch meines Erachtens falsche Vorstellungen darüber, wie eine Kirche funktionieren soll. Pfarrer und Sozialdiakone sind in dieser Vorstellung die eierlegenden Wollmilchschweine, die wie verrückt für ihre Gemeinde arbeiten, alles können sollten und ihr etwas bieten. Die Kirche braucht hingegen auch das Engagement von vielen Freiwilligen. Unter anderem ist unser Job also, diese zu ‹managen›, da haben Sie recht. Und als Angestellter ist man durchaus auch mit Marketing beschäftigt.»

Wie haben sich die Aufgaben der Kirche ihrer Meinung nach in den letzten zehn Jahren verändert?

«Meiner Meinung nach hat sich der grundsätzliche Auftrag aller Kirchen nie verändert. Nämlich den christlichen Glauben in Wort und Tat zu verkündigen und zu leben. In der Praxis merke ich, dass die Menschen bei Zeremonien mehr als früher individuellere Wünsche haben. Das fordert uns heraus. Und mir scheint, dass man heute bewusster darauf schaut, was die Kirche, zu der man gehört, im Dorf tut.»

Sollten sich Gemeinden, die keinen eigenen Pfarrer haben, also eher auf die Suche nach einem universellen Sozialdiakon machen?

«Ein Pfarrer äusserte sich mir gegenüber einmal in ähnlicher Weise. Er befürchtete, dass Sozialdiakone wie ich, die sowohl eine sozialdiakonische als auch eine theologische Ausbildung haben, finanziell günstige Alternativen zu Pfarrern werden könnten. So ist es nicht gedacht, Pfarrer und Sozialdiakone haben schon unterschiedliche Berufsbilder. Dennoch sind heute beide in vielerlei Hinsicht gefordert – theologisch, diakonisch, seelsorgerlich usw.»

22,2 Prozent der ständigen Schweizer Bevölkerung sind laut Bundesamt für Statistik (bfs ohne Konfession, der Anteil Reformierter ist von rund 50 Prozent (1970) auf 27 Prozent (2014) gesunken. Wie erklären Sie sich diesen Trend?

«Die Menschen sind religiös selbständiger geworden und überlegen sich gut, warum sie in einer Kirche Mitglied sind und ob sich das inhaltlich wie finanziell lohnt. Sie sind also den Kirchen gegenüber kritischer geworden und schrecken weniger davor zurück auszutreten, wenn ihnen das Angebot der Kirchgemeinde nicht entspricht. Ich sehe das als Herausforderung für mich und uns als Kirche, unsere Arbeit zu überprüfen. Und an unserem Kernauftrag dranzubleiben und gleichzeitig auf die Bedürfnisse der Bevölkerung einzugehen.»

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Die Fortsetzung dieses Interviews finden Sie in der WB-Ausgabe Nr. 92, vom Freitag, 25. November 2016. Abonnieren Sie das Wynentaler-Blatt noch heute - Sie verpassen nie wieder das wirklich Wissenswerte aus IHRER Region.

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