Tempo 40 durch Unterkulm?

Fr, 24. Nov. 2017
Zeitungsausschnitt Wynentaler Blatt

Seit einer Woche ist der Böhlerkreisel in Unterkulm auf der Strasse eingezeichnet. In der Bevölkerung sorgt die WSB-Eigentrassierung für hitzige Diskussionen. In einem Gespräch nehmen Unterkulms Vizeammann Emil Huber und Petitionär Hansjörg Elsasser Stellung zu den Fragen.

 

Von Wolfgang Ryz

Massnahmen für die WSB-Eigentrassierung durch Unterkulm sind nun für die Bevölkerung ersichtlich. Was sagen Sie zur Visualisierung des 22-Millionen- Projektes?

Hansjörg Elsasser: Jetzt wird allen bewusst, was da auf uns zukommt. Die Veränderungen betreffen nicht nur den Kreisel, sondern es geht um die Eigentrassierung durchs ganze Dorf. Das rüttelt die Leute wach.

Emil Huber: Bis jetzt bestand nur sehr viel Papier. Jetzt sieht man das Bauvorhaben knallhart. Der Verkehr frisst noch mehr vom knappen Platz im Zentrum von Unterkulm. Das gibt nicht nur mir zu denken. Ich sah in den letzten Tagen viele besorgte Bürger beim Studium der aufgemalten Veränderungen.

Das heisst, der Unterkulmer Gemeinderat versteht die Sorgen der Bevölkerung?

Huber: Selbstverständlich. Jeder hat seine Sicht dazu. Man muss aber die Dossiers studieren,um die Zusammenhänge besser zu verstehen.

Elsasser: Das Dossier ist riesengross. Ich bin froh um die aufgemalten Veränderungen. Dabei zeigt sich klar, dass wir ein reines Bahnprojekt vorgestellt erhielten. Die restlichen Verkehrsteilnehmer und Landbesitzer müssen weichen. Ich erinnere daran, dass beispielsweise das Haus mit unserem Familienunternehmen vor der Bahn da war.

In der Bevölkerung «gärt» es. Der Unmut ist bei vielen Unterkulmern gross. Spüren Sie dies auch?

Huber: Ja, der Gemeinderat spürt die Unzufriedenheit. Im Dorf werde ich laufend darauf angesprochen. Und es gibt auch im Oberwynental rote Köpfe. Die lange Bauerei und Verkehrsbehinderung sorgen für Unruhe. Auch in Oberkulm und Teufenthal sind Kreisel-Projekte in Planung.

Elsasser: Die Aufmalung des Projektes auf der Strasse gibt der Diskussion Auftrieb. Ich habe mich aus privatem Interesse exponiert und wollte damit das Interesse wecken. Es ist wichtig, dass sich die Leute damit befassen. Die öffentliche Auflage läuft nur bis Mitte Dezember. Anliegen und Anträge müssen jetzt vorgebracht werden.

Schmalere Trottoirs, Schikanen für den Verkehr, pro Stunde achtmalige Vollsperrung der Strasse beim Böhlerkreisel bis zu zwei Minuten: Hat dieses Projekt überhaupt eine Chance, umgesetzt zu werden?

Huber: Ingenieure berechneten und simulierten das Projekt für künftige Spitzenbelastungen. Der Gemeinderat Unterkulm wird genau prüfen, ob der vorgeschlagene Kreisel in den Spitzenzeiten funktioniert. Da muss der Kanton erst noch den Beweis erbringen.

Das heisst, der Gemeinderat akzeptiert möglicherweise das Projekt?

Huber: Nein, wir fordern eine Reduktion der Barrieren. Die WSB soll weiterhin im Trambetrieb mit einem Tempo von maximal 40 Stundenkilometer durchs Dorf rollen. Dies bedeutet Halt auf Sicht. Dadurch können Autos, Velos und Fussgänger in Koexistenz mit weniger technischen Mitteln verkehren.

Elsasser: Damit bin ich ebenfalls einverstanden.Dann werden die Übergänge für die Fussgänger einfacher. Dafür müssen wir kämpfen. Bisher gabs von der WSB keinen Kompromiss. Mit der vorgeschlagenen Lösung wirds gefährlicher für die Velofahrer, die vom Bahntrassee auf die Strasse verdrängt werden sollen. So lange ich mich erinnern kann, gabs in Unterkulm keinen Unfall zwischen der Bahn und einem Velofahrer.

Dann wollen Sie also keine WSB-Eigentrassierung durch Unterkulm?

Huber: Nördlich der Böhlerkreuzung ist die Eigentrassierung bereits eingeleitet. Das ist kaum rückgängig zu machen. Der Gemeinderat strebt den bisherigen Trambetrieb nur vom Coiffeurgeschäft Peter Richtung Süden an.

Nach der Informationsveranstaltung wächst der Ärger der Bevölkerung, weil viele Unterkulmer jetzt realisieren, dass es nördlich und südlich vom Kreisel auch noch Barrieren im Stil der Oberkulmer Strassenschikane gibt. Wehrt ihr euch dagegen?

Huber: Diese Strassensicherung entspricht neuen Vorschriften. Für ältere Menschen und Kinder erhöht sich die Sicherheit.Aber der Gemeinderat sagt nur im nördlichen Dorfteil ja zu dieser Massnahme. Dort besteht schon ein Fussgängerstreifen mit einer Ampelanlage.

Hansjörg Elsasser, wie gross ist die Unterstützung der Petition für eine Fussgängerunterführung beim Kreisel? Was unternehmen sie weiter?

Elsasser: 176 Personen unterstützen mich. Aber eine Unterführung ist nicht das absolute Ziel. Unterführungen sind nicht beliebt. Wegen der Bauvorschriften ist der Platzbedarf enorm. Die Petition war mehr ein Mittel zum Zweck,um die Bevölkerung aufzurütteln.Ich werde keine Eingabe an den Kanton richten. Aber ein Schreiben an den Gemeinderat ist unterwegs. Er soll sich in Aarau für eine bessere Lösung einsetzen.

Emil Huber, was unternimmt der Gemeinderat Unterkulm angesichts der ablehnenden Haltung der Bevölkerung?

Huber: Wir nehmen die Sorgen auf und befassen uns mit der Kritik. Deshalb wollen wir den Kanton als Bauherren in Pflicht nehmen. Zurzeit prüfen wir, welche Rechtsmittel wir ergreifen wollen. Wir werden unsere Mittel ausschöpfen. Grundsätzlich ist aber jedermann einspracheberechtigt beim Kanton.

Gibt es konkrete Verbesserungsvorschläge von der Gemeinde nebst dem gewünschten Trambetrieb?

Huber: Wir befassen uns mit einer Temporeduktion des Verkehrs durch Unterkulm.

Elsasser: Ja, Tempo 30 wäre gut.

Huber: Der Gemeinderat denkt eher an Tempo 40. Mithilfe einer modernen Verkehrsleitung wäre eine automatische Anpassung auf 30 oder bei wenig Verkehr auf 50 km/h möglich

Ist die Unterführung zur Entlastung des Böhlerkreisels für den Gemeinderat keine Option?

Huber: Die Akzeptanz von Unterführungen wird bei Fussgängern immer schlechter. Das sieht man in Städten. Deshalb macht das auch in Unterkulm keinen Sinn.Ausserdem befinden sich unter der Hauptstrasse zu viele Leitungen. Die Unterführung müsste extrem tief gelegt werden; und der Platz für die Ab- und Aufgänge fehlt.

Ist die Kirchenmauer sakrosankt? Mit einem Zurücksetzen liesse sich für eine bessere Lösung Platz gewinnen.

Huber: Diese wurde ja schon in den 50er Jahren einmal zurück versetzt. Zugunsten einer Durchgangsspur um den Kreisel herum sollte dies möglich sein.

Es gibt den Vorschlag einer U-Bahn durch Unterkulm. Ist diese Idee eine Utopie? Das vorliegende Projekt befriedigt niemanden ausser die WSB-Direktion.

Huber: Ich glaube, es bleibt bei der Utopie. Die Umsetzung würde wohl einen dreistelligen Millionenbetrag kosten. Unterkulm wäre nicht in der Lage, sich daran mit den nötigen finanziellen Mitteln zu beteiligen. Dies brächte eine satte Steuererhöhung mit sich. Persönlich fände ich als künftiger Gemeindeammann eine U-Bahn touristisch attraktiv… (lacht)

Elsasser (schmunzelnd): Eine Hochbahn wäre aber touristisch noch attraktiver und preislich wohl günstiger…

Zurück in die Realität: Haben Sie nicht Angst, dass der Grosse Rat das Projekt aufgrund der negativen Haltung der Bevölkerung auf die lange Bank schiebt?

Huber: Diese Gefahr besteht.Andererseits drücken das Bundesamt für Verkehr und der Kanton aufs Tempo. Der Gemeinderat Unterkulm erwartet, dass die Kulmer Grossräte aktiv werden und sich für eine gute Lösung fürs ganze Wynental einsetzen. Diese Verkehrssanierung ist auch ein regionales Thema.

Der Baubeginn in drei Jahren erscheint ehrgeizig, die Bauzeit von fast drei Jahren enorm lang. Hinzu kommt die Gefahr eines Referendums mit kantonaler Volksabstimmung. Glauben Sie an eine Realisierung der WSB-Eigentrassierung mit Böhlerkreisel in den nächsten zehn Jahren?

Elsasser: Wenn das Projekt wie besprochen vereinfacht wird, glaube ich daran. Die jetzige Vorlage ist zu gross und löst zu viel Kopfschütteln aus. Huber: Bund und Kanton lassen keine lange Verzögerung zu. Ausserdem muss die Kantonsstrasse bald saniert werden. Eine Umsetzung in den nächsten zehn Jahren ist möglich, aber nur in abgespeckter Form. Und in 50 Jahren diskutieren wir dann wieder über eine U-Bahn…

 

 

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