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Do, 17. Sep. 2020

Keine flächendeckende Tempo-30-Zone in Reinach. War das gemeinderätliche Vorgehen im Giesskannenprinzip übereilt? War es eine Entscheidung nach gezielter Mobilisierung? Wie geht es jetzt weiter? Nachgefragt bei Gemeinderat Ruedi Lanz.

rc. Das Thema Tempo 30 ist in nun doch angekommen. Bis zur letzten Info-Veranstaltung über das Verkehrssicherheitskonzept im Oktober letzten Jahres war das Interesse zwar gross, als Oppositioneller hatte sich aber nur Philipp Härri öffentlich gemeldet. Dieser war es denn auch, der an der Gemeindeversammlung mit seinem Antrag auf Rückweisung des Traktandums eine Mehrheit hinter sich brachte. In einem solchen Fall wird die Diskussion an der Gmeind abrupt beendet und der Gemeinderat muss den Antrag in den bemängelten Punkten überarbeiten. Konkret geht es um die geplante 30er-Zone, die sich nach Ansicht der Kritiker nicht für jeden Strassenzug und in jedem Wohnquartier aufdrängt.

Der Gemeinderat hat bereits angekündigt, dass er die Vorlage möglichst schnell wieder vors Volk bringen will. Den Grund dafür kennt Ruedi Lanz: «Es geht vor allem um die erhobenen Daten, Begehungen, Eingaben und Hinweise aus der Bevölkerung. Wenn wir zu lange warten, müssen wir alle diese Angaben und Fakten aufgrund der Aktualität neu erarbeiten, was mit einem hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden wäre.» Klar ist auch, dass die Abstimmung nicht an einer Gemeindeversammlung, sondern an der Urne erfolgen wird..


Überarbeitetes Konzept kommt bald

An der Einwohnergemeindeversammlung Reinach stimmte eine Mehrheit der 310 anwesenden Stimmberechtigten dem Rückweisungsantrag von Philipp Härri zu. Dieser verlangte, dass der Gemeinderat das vorgelegte Verkehrssicherheitskonzept noch einmal überarbeiten muss, ohne eine flächendeckende Tempo-30-Zone in den Wohngebieten. Was passiert jetzt? Nachgefragt bei Gemeinderat Ruedi Lanz, zuständig für die Ressorts Verkehr, Umwelt und Raumordnung.

Das Traktandum wurde zurückgewiesen, nicht abgelehnt. Können Sie uns kurz den Unterschied erklären?

Ruedi Lanz: «Der Souverän hat beschlossen, dass über das Geschäft in der vorliegenden Form kein definitiver Entscheid gefällt wird und der Gemeinderat die Vorlage nochmals überarbeiten soll. Anschliessend werden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über die nachbearbeitete Vorlage befinden.

Eine Ablehnung hätte bedeutet, dass das Verkehrssicherheitskonzept von Grund auf hätte neu ausgearbeitet werden müssen. Eine Rückweisung bedeutet lediglich, dass ein Traktandum in überarbeiteter Form erneut zur Abstimmung gebracht wird und in diesem Sinne über das Geschäft selber gar nicht entschieden wurde. Damit ein Referendum ergriffen werden kann, braucht es einen materiellen Beschluss des Souveräns über ein Sachgeschäft (das heisst, Annahme oder Ablehnung). Bei der Rückweisung handelt es sich um einen formellen Entscheid. Gegen formelle Entscheide, zu denen zum Beispiel auch ein Antrag auf geheime Abstimmung zählt, ist kein Referendum möglich.»

Erst zuletzt hat sich öffentlicher Widerstand gebildet. Hat Sie die Rückweisung an der Gemeindeversammlung überrascht?

Lanz: «Ein Rückweisungsantrag zu einem Traktandum an der Gemeindeversammlung bedeutet, dass die Diskussion über das Geschäft selber abgebrochen werden muss und man sich nur noch zum Rückweisungsantrag selber äussern darf. Mich persönlich hat dieses Vorgehen überrascht, da ich erwartet hätte, dass die Gegnerschaft im Sinne einer demokratischen Entscheidungsfindung versuchen würde, mit konkreten Fakten und Argumenten zu überzeugen. Die Gegnerschaft der Vorlage hat es vorgezogen, den Weg der Rückweisung zu beschreiten und damit in korrekter Form ein demokratisches Recht wahrgenommen. Weshalb dieses Vorgehen gewählt wurde kann ich nicht sagen.»

Wollte man mit der 30er-Zone im «Giesskannenprinzip» Geld und Aufwand vermeiden?

Lanz: «Ganz klar nein. Erklärtes Ziel war und ist die Erhöhung der Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer sowie eine Verbesserung der Lebensqualität in den Wohnquartieren. Ich kann eigentlich nur wiederholen, dass man einer Konzentration oder Umlagerung des Verkehrs auf einzelne Gemeindestrassen nur mit einer flächendeckenden Zone rasch, effizient und dauerhaft entgegenwirken kann. Bei jedem anderen Vorgehen sind die Anwohner von Strassen, bei denen keine Massnahmen getroffen werden, die Leidtragenden, da die Verkehrsströme in diesen Strassenzügen unweigerlich zunehmen werden.»

Nachdem das Verkehrskonzept vom Gemeinderat verabschiedet wurde, hat man auf einen weiteren Info-Anlass verzichtet. War das im Rückblick ein Fehler?

Lanz: «Bei der Erarbeitung eines Konzeptes in dieser Form ist die Öffentlichkeitsarbeit ein sehr wichtiger Aspekt. Mit zwei durch die Bevölkerung sehr aktiv genutzten Mitwirkungen, regelmässiger Information über die uns zur Verfügung stehenden Kanäle sowie dem Infoanlass letzten Herbst haben wir stets möglichst aktuell und transparent informiert. Am Perimeter der Tempo-30-Zone ist nach dem Infoanlass nichts mehr geändert worden. Ich gehe deshalb davon aus, dass ein weiterer Infoanlass nichts geändert hätte.»

Wäre Ihnen ein durch Corona erzwungener Urnengang lieber gewesen, als eine Gmeind, an der die Mobilisierung offenbar mitentscheidend für die Rückweisung war?

Lanz: «Die Gemeindeversammlung war trotzdem nützlich, um den Puls der Bevölkerung zu spüren. Ich bin überzeugt, dass zahlreiche Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dem Rückweisungsantrag zugestimmt haben, aber grundsätzlich für Tempo 30 waren. Ob Urnengang oder Gemeindeversammlung ändert da meiner Meinung nach nichts. Die Gegnerschaft der Vorlage hat diesbezüglich einfach einen super Job gemacht und hervorragend mobilisiert.»

Wie geht es nun weiter? Reicht es, einfach ein paar Strassenzüge aus der Tempo-30-Zone zu streichen, oder ist die Planung komplexer?

Lanz: «Ganz so einfach ist es nicht, da man wie vorgängig erwähnt eine Umlagerung und verstärkte Konzentration des Verkehrs auf einzelne Quartiere verhindern will, werden wir die Zone eingrenzen. Mit dem Herausstreichen ganzer Strassenzüge könnten die zwei Hauptziele des Konzepts, nämlich die Erhöhung der Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer und die Steigerung der Lebensqualität, für die betreffenden Quartierbewohner nicht erreicht werden.»

Welche Strassenzüge/Quartiere stehen im Fokus der Überarbeitung?

Lanz: «Abgebaut haben wir vor allem in den Randzonen des ursprünglich vorgesehenen Perimeters. Wir versuchen unter Berücksichtigung der Eingaben in den beiden Mitwirkungsverfahren, Schulwegsicherung, Kindergärten, Lärmschutz und diverser weiterer Faktoren eine Vorlage zu präsentieren, welche mehrheitsfähig sein wird.»

Was kostet die Überarbeitung des Konzepts und wird bei der Umsetzung der Rahmen von 275000 Franken tendenziell eher reduziert, eingehalten oder überschritten?

Lanz: «Die Kosten der Überarbeitung kann ich im Moment nicht genau beziffern und möchte deshalb keine konkrete Zahl nennen. Für die Umsetzung gehen wir nach wie vor von den erwähnten 275’000 Franken aus.»

Nun kommt der Flickenteppich, den man vermeiden wollte. Können Sie hinter einem anderen als dem ursprünglichen Konzept überhaupt stehen?

Lanz: «Die überarbeitete Vorlage ergibt keinen Flickenteppich, da wir aus den vorgängig erwähnten Gründen keine ganzen Strassenzüge gestrichen haben, sondern die Zone vor allem in den Randgebieten verkleinerten. Wie ich bereits an der letzten Gemeindeversammlung zum Ausdruck gebracht habe, bin ich persönlich für die Annahme und Umsetzung der Vorlage. Als Gemeinderat habe ich jedoch die Entscheidung des Souveräns zu akzeptieren und zusammen mit den Mitarbeitenden meines Departements werden wir diese nach bestem Können und Wissen umsetzen.»

Die Vorlage soll möglichst bald erneut an der Gemeindeversammlung traktandiert werden. Warum die Eile?

Lanz: «Es geht vor allem um die erhobenen Daten, Begehungen, Eingaben und Hinweise aus der Bevölkerung. Wenn wir zu lange warten, müssen wir alle diese Angaben und Fakten aufgrund der Aktualität neu erarbeiten, was mit einem hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden wäre. Der Gemeinderat hat bekanntlich beschlossen, dass wir eine Urnenabstimmung durchführen werden, da mit den aktuell gültigen Corona – Vorschriften die Gemeindeversammlung unter Umständen wegen zu hoher Beteiligung abgesagt werden müsste.»

Wird es eine erneute Mitwirkung geben?

Lanz: «So wie sich die Situation heute präsentiert, erachte ich dies als nicht für notwendig, weil vor allem die Fläche der Tempo-30-Zone angepasst wurde, das Konzept vom Grundsatz her aber gleich bleibt. Für entsprechende, weitergehende Auskünfte und Informationen steht die Abteilung für Bau und Planung allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung.»

Das Interview führte Remo Conoci

 

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