Streiflicht

Do, 20. Jan. 2022

Prioritäten

Haben Sie sich vergangene Woche auch so aufgeregt wegen diesem Tennis-Spieler? Man hätte fast meinen können, es passiere nichts anderes mehr auf der Welt. Ich gebe zu, dass ich auch zehn Tage lang ununterbrochen auf die Taste «F5» meines Computers gedrückt habe. Wenn man das macht, aktualisiert sich die Webseite und man ist sofort informiert, wenn sich im fernen Australien etwas ergibt. Dabei trug sich zeitgleich ein weitreichender Skandal zu, der bis in die obersten Etagen geht. In der Schweiz! Das Problem wurde einfach unter den Teppich gekehrt, niemand interessiert sich für den Missstand, der uns alle betrifft und für den bis heute noch keine Lösung gefunden wurde. Das Problem ist so gross, dass dafür eine Taskforce oder sogar eine parlamentarische Untersuchungskommission eingesetzt werden müsste. Aber nein, man schaut lieber auf die grosse Insel im Südpazifik, wo Fetzen statt Filzbälle fliegen.

Dabei wäre es ökologischer, sich über etwas im eigenen Dorf aufzuregen. Über die Höchstgeschwindigkeit in Oberwynentaler Gemeinden zum Beispiel. Oder ob man einen Bach im Suhrental wirklich den Berg hinauf fliessen lassen soll – diese Idee existiert wirklich! Nur gut, gibt es das «Streiflicht» – wenn man so will, der Hoffnungsstreifen am Horizont. Hier kommen auch die wirklichen Probleme zur Sprache, nämlich dieses: «Die Preis-Etiketten für das Gemüse kleben nicht auf dem Stoffsäckli», lautete der erschreckende Vorwurf gegenüber einem Grossverteiler, der alles andere in den Hintergrund rücken würde, wäre da nicht die Tennis-Affäre gewesen. Da müssen viele Teppichetagen-Angestellte aufgeatmet haben, als alle Blicke plötzlich nach Australien gezogen wurden und selbst die Hauptausgabe der Tagesschau das Problem mit den Einreisepapieren an den Anfang der Sendung gestellt hat. Und nicht etwa das, was Schweizer Konsumenten wirklich beschäftigt,nämlich schlecht klebende Etiketten auf dem Gemüse-Stoffsäckli. Aber nicht nur der Etikettenschwindel ging unter. Selbst die Vulkan-Explosion auf der Insel Tonga, das weltweite Fehlen von Rohstoffen, der Millionen-Raub einer Aargauer Pensionskasse, die Erderwärmung, die tobenden Kriege, Hungersnöte und Umweltkatastrophen wurden einfach zurückgestellt – selbst von Corona hörte man erst an dritter Stelle.

So gesehen ist es gut, hat man den Tennisspieler aus dem Land geworfen, dann haben es diese Meldungen wieder etwas einfacher, vom Volk wahrgenommen zu werden. Vielleicht sollte man noch die Prioritäten ändern und die Gemüsesäckli-Klebeintoleranz an das Ende der Liste verschieben. Dann passts.

REMO CONOCI

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