Haben Sie schon einmal eine Kichererbse kichern gehört? Diese Frage habe ich mir gestellt, als ich las, womit sich das Europaparlament diese Woche beschäftigt: Es hat darüber zu befinden, ob Begriffe wie «Schnitzel» oder «Wurst» auch für vegetarische oder gar vegane Produkte verwendet werden dürfen. Es bestehe nämlich die «Gefahr», dass sich Karnivore täuschen lassen und irrtümlich eine Tofuwurst verzehren könnten, im Glauben, eine Rindswurst zu sich zu nehmen.
Da will man wohl die Fleischfresser für dumm verwursten! Der Verzehr von Fleisch führt nicht zu Leseschwäche, und ich kann mir keinen Nahrungsmittelhersteller vorstellen, der freiwillig den Hinweis «vegetarisch» oder «vegan» auf seinem Produkt weglassen würde, wenn es denn diese Kriterien erfüllt.
Ich vermute dahinter eher die Hoffnung der Fleischindustrie, mit diesem kläglichen Namens-Trick den boomenden Vegi-Trend einzudämmen. Dass wir uns richtig verstehen: Ich selber esse auch gerne mal ein gutes Stück Fleisch, und wenn es schnell und unkompliziert gehen muss, kann es auch gerne eine Cervelat mit Brot sein. Ich muss aber auch zugeben, dass Vegi-Produkte in den letzten Jahren geschmacklich starke Fortschritte gemacht haben. Vorbei sind die Zeiten, da man sich nach dem Verzehr eines Tofu-Schnittchens fragte, ob man nun gerade einen Radiergummi oder ein Stück Pappkarton gegessen hatte.
Trotzdem hoffe ich, das Europaparlament beweist bei seinem Entscheid das nötige Augenmass und lässt dem Quorn-Steak und dem Seitan-Geschnetzelten seine Namen. Sonst müsste man dann konsequenterweise noch viele weitere Nahrungsmittel umbenennen. Etwa der Fleischvogel, der noch nie Federn hatte, die Blutorange, die keinen Tropfen Blut enthält, der Hamburger, der nicht aus Norddeutschen hergestellt wird, genauso wenig wie ein Emmentaler aus Burgdorfern, Zäziwilern oder Langnauern gemacht wird. Schoggi-Freunde werden hoffentlich auch weiterhin bedenkenlos in Kinderschokolade beissen können. Und Liebhaber von Energy-Drinks haben nichts mit der Ausrottung roter Büffel zu tun.
Eines ist für mich aber klar. So lange Europa keine grösseren Probleme hat und sich mit der korrekten Benamsung von Tofuwürsten befasst, kann uns die Sache sowieso ziemlich wurst sein.
Roland Marti

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