Streif licht

Do, 18. Dez. 2025

Zimetschtärn

In der Adventszeit gibt es in der Schweiz drei Dinge, die garantiert jedes Jahr wiederkehren: der erste Schnee auf dem Gotthard, die letzten sommerpneubereiften Autos im Bachbett neben der Strasse – und «Stille Nacht» in Endlosschlaufe. Kaum betritt man einen Coop, eine Migros oder den Dorfmetzger seines Vertrauens, rieselt einem die musikalische Besinnlichkeit entgegen. Und zwar zuverlässig ab Mitte November, spätestens wenn die letzten auf den Viertelpreis heruntergeschriebenen Halloween-Artikel aus den Regalen verschwunden sind.

Dabei ist «Stille Nacht» nur die Spitze des von Glöcklein umgebenen Lebkuchenbergs. In den Schulen wird «Kling, Glöckchen, klingelingeling» und «Oh Tannenbaum» geprobt, bis selbst die robusteste Blockflöte um Gnade fleht. In den Kirchen erklingen dieselben drei Strophen seit Generationen, während man sich fragt, ob der Tannenbaum inzwischen nicht längst die Kündigung eingereicht oder aus Protest sämtliche Nadeln abgeworfen hat. Und natürlich gibt es in jeder Gemeinde mindestens einen Männerchor, der überzeugt ist, dass Weihnachten ohne «Es ist ein Ros entsprungen» gar nicht stattfinden darf. Dabei kennen Menschen ohne vertieftes Fachwissen der Männerchormusikliteratur nicht einmal mehr die zweite Textzeile dieses Liedes.

Besonders charmant und kuschelig wird es, wenn die Lieder auf Schweizerdeutsch gesungen werden. «Zimetschtärn han i gärn» sorgt regelmässig für hitzige Diskussionen: Ist das nun ein Kinderlied, ein kulinarisches Bekenntnis oder einfach die heimliche Nationalhymne des Advents? Und spätestens beim «O du fröhliche» weiss niemand mehr so genau, ob man jetzt mitsingen, summen oder einfach ehrfürchtig nicken soll.

Trotz allem: Würde uns etwas fehlen, wenn es plötzlich still bliebe? Wahrscheinlich ja. Denn so sehr wir über Weihnachtslieder stöhnen, sie gehören zur Schweiz wie Guetzli, Glühwein und die jährliche Erkenntnis, dass das letzte Stückchen Fleisch des Fondue Chinoise, das man nur noch in den Sud tauchte, weil man noch einen Klecks Knoblauchsauce im Teller hatte, dann doch zu viel war. Und vielleicht ist genau das ihr Zauber: Sie nerven – und erfreuen gleichzeitig. Es ist allein eine Frage des Masses.

Roland Marti

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