Wenn sich der Persönlichkeitsschutz ins Nichts auflöst

Di, 17. Feb. 2015

Kommentar zum Medienhype rund um die Kreisschule Mittleres Wynental
von Martin Sommerhalder

 

In den vergangenen Tagen hat die Beziehung einer 30-jährigen Bez-Lehrerin mit einem 17-jährigen Schüler an der Kreisschule Mittleres Wynental, insbesondere in den elektronischen Medien, einen wahren Hype verursacht. Mit dem Brief an die Eltern wurde das Ereignis in einer breiten Öffentlichkeit publik. Die Kreisschulpflege informierte die Eltern in diesem Brief über die "Missachtung der professionellen Rolle als Lehrerin" und, dass das Arbeitsverhältnis in gegenseitigem Einvernehmen per sofort aufgelöst wurde.

 

Was sich dann ab Freitagvormittag ereignete, erinnerte nicht nur an eine mittelalterliche Hexenjagd, es war eine. Gewissenhaft wurden alle Gerüchte und Halbwahrheiten im Netz verbreitet, ohne Rücksicht auf Verluste. Die von der Schulpflege angestrebte besondere Wahrung des Persönlichkeitsschutzes der Beteiligten pulverisierte sich innert Stunden ins Nichts. Natürlich kann eine Schule sowas nicht tolerieren, selbstverständlich liess das Ereignis nur die Möglichkeit zu, dass die Lehrerin entlassen wird. Natürlich brodelt bei einem Vorfall dieser Art die Gerüchteküche. Aber fühlt sich der Zuschauer beispielsweise von Tele Züri tatsächlich das entscheidende Quäntchen besser informiert, weil er als Erster ein – wenn auch verschwommenes Bild der Lehrerin sieht. Will er tatsächlich von Einschätzungen eines vor das Objektiv gezauberten, anonymen Schülers behelligt werden, der über den Umgang der 30-Jährigen mit den Schülern ihrer Klassen mutmasst?

 

Ein Schüler, der mit einiger Sicherheit selber kaum die Bezirksschule besucht. Will er vom Schulleiter Details aus einem Mitarbeitergespräch mit der Lehrerin ausgeplaudert erhalten? Müssen die nicht dort bleiben,wo sie jeder von uns auch gerne sähe, im vertraulichen Rahmen? Welch ungeheurer Erkenntnisgewinn steckt dahinter, wenn uns eine Sexualpädagogin vor der Kamera erklärt, die Lehrerin habe wahrscheinlich ihre Rolle aus denAugen verloren und sich schlicht vom Schüler als jungen Mann hingezogen gefühlt. Vermutlich stimmt die Weisheit: ein TV-Bericht rechtfertigt sich selber. Auf der Strecke bleiben Dinge wie der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft den Fall vermutlich einstellen wird, weil die Intimitäten einvernehmlich stattfanden. Das heisst, man darf wohl mit der Moralkeule schwingen, nüchtern betrachtet handelt es sich um eine Liebschaft mit einer unkonventionellen Alterskonstellation. Weil die Frau nicht ein Hollywood-Star ist, sondern Lehrerin, wird sie nicht gefeiert, sondern in die Pfanne gehauen. Dabei gerät Wichtiges unter die Räder. Zum Beispiel, dass die junge Frau nicht nur (laut Brief der Schulpflege) im Lehrkörper geschätzt war, sondern auch bei den Eltern und bei ihren Klassen. Und, dass wohl für alle aus dem näheren Umfeld die Affäre unbegreiflich ist.

 

Ganz einfach deshalb,weil sie in einem eklatant krassen Gegensatz zum sonst tadellosen Unterricht und der insgesamt sehr souveränen Art der Lehrerin im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern steht. Die Blaupausen x-beliebiger ähnlich gelagerter Fälle über diesen zu legen, die Lehrerin in die vorgesehene Schublade zu pressen und sie mit den gängigen despektierlichen Bezeichnungen zu benennen, ist das tatsächlich die Aufgabe der Medien? Als indirekt betroffener Familienvater kann man nur zu einem Schluss gelangen: Eine ganze Anzahl von Berichterstattern missachtet gerade ebenfalls ihre professionelle Rolle. Einen solch widerlichen Medien-Shitstorm hat die Lehrerin nicht verdient! Natürlich bleibt die Frage offen, ob eine männliche Lehrperson dieselbe Nachsicht erwarten dürfte. Diese Zeitung würde sich sicher auch dann den Luxus einer differenzierten Berichterstattung leisten. Martin Sommerhalder

Neuen Kommentar schreiben

CAPTCHA
Diese Frage soll automatisierten Spam verhindern und überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind.

Kommende Events

Stellen

Immobilien

Diverses

Trending

1

Viele Fragezeichen rund um die Red Lions Reinach

Bei den Red Lions Reinach kommt es zum grossen Umbruch. Nach dem Rücktritt von Präsident Martin Zobrist und der geäusserten Absicht weiterer Vorstandsmitglieder, ihr Amt niederzulegen, übernimmt der bisherige Cheftrainer Adriano Pennaforte den Club, vorderhand mit seiner eigenen Investmentfirma CMV…