Selten etwas «s’Chämi uf gange»

Mo, 21. Aug. 2017
Heinz Widmer an der Arbeit: Alles ist vorbereitet für das Aufziehen der Eisenreifen auf die Berner Wägeli-Räder. (Bilder: erl.)

Im Juni 2017 feiert der gelernte Huf- und Wagenschmied Heinz Widmer seinen achtzigsten Geburtstag. Gleichzeitig konnte der gesellige Ur-Gränicher auf ein seltenes Betriebsjubiläum anstossen: Seit fünfzig Jahren betreibt er die «Schmitte» – wo er die Woche über noch fast jeden Tag anzutreffen ist. Das WB widmete ihm ein Portrait.

 

erl. «Wenn es keinen Spass mehr macht, muss man aufhören», ist sich Heinz Widmer sicher. Ans Aufhören aber denkt er vorderhand noch nicht. Wenn die Türe zur Werkstatt offen ist, hört man helle Hammerschläge oder sieht den Funkenregen vom Schweissen. Das Feuer in der Esse jedoch brennt nur noch selten. «Den Beruf des HufundWagenschmieds, so wie ich ihn während meiner dreieinhalb Jahre dauernden Ausbildung beim Vater erlernt habe, gibt es nicht mehr.» Schon als er den Betrieb von seinem 1967 verstorbenen Vater übernahm,begann sich die Arbeit immer mehr Richtung Bau- und Konstruktionsschlosserei zu entwickeln. Doch in all den Jahren konnte er neben profanenAufträgen auch immer wieder Arbeiten ausführen, bei denen sein Können als Schmied gefordert war.

Nach allen Regeln der Schmiedekunst

Stolz weist er auf die schmiedeisernen Konstruktionen und Handläufe im Luternau- Turm auf der Liebegg und im «Chornhuus» hin, die nach allen Regeln der traditionellen Kunst gearbeitet sind. Auch gibt es in der ganzen Region kunstvolle Geländer und Tore, die er nach Zeichnungen der Kundschaft angefertigt hat. Jüngst konstruierte er für ein von seinemVater geschmiedetesTor, das nun im Garten des Enkels desAuftraggebers wieder seiner alten Funktion zugeführt werden soll, die Befestigungskonsolen und einen Rosenbogen.

Auf die alte Handwerkskunst verstehen sich nur noch wenige

Das Berufsbild hat sich geändert, doch die rauchgeschwärzte Werkstatt sieht noch fast gleich aus, wie sie der Vater in den 1930er-Jahren im Ökonomieteil des mehr als hundertjährigen Bauernhauses bei der Wynenbrücke eingerichtet hat. Viele Vorrichtungen benutzt HeinzWidmer bei Bedarf noch heute. So auch den Krafthammer, auf dem die Jahrzahl 1935 eingraviert ist. Zum Repertoire eines Huf- und Wagenschmieds gehörte früher auch das Beschlagen von Pferden und das Aufziehen von Eisenreifen auf grosse Wagenräder. Es sei sicher zwanzig Jahre her, seit er einem Pferd Hufeisen angepasst habe, erinnert er sich. Und eisenbereifte Wagen hätten heute Seltenheitswert.

Augenmass und Fingerspitzengefühl

Umso mehr freute sich Heinz Widmer über den Auftrag eines Schreiners, Räder für die von ihm neu angefertigten Berner Wägeli abzubinden. Bei dieser anstrengenden, schweisstreibenden Arbeit sind Erfahrung, Augenmass, Fingerspitzengefühl und eine perfekte Zusammenarbeit gefragt, egal, wie gross die Räder sind. Bei den einzelnen Schritten entscheiden oft Sekundenbruchteile über Gelingen oder Misserfolg. Jedenfalls war der Meister mindestens so erleichtert, wie die «Schmiedegesellen», sein Sohn Marcel und Urs Hauri, dass bei dieser kniffligen Arbeit nichts «s’Chämi uf» ging. Für die Zaungäste, die an einem kalten Wintertag die verschiedenen Arbeitsschritte interessiert verfolgten, war es ein Spektakel mit Seltenheitswert, denn es gibt nicht mehr viele Handwerker, die sich auf das Radabbinden verstehen. Auch sonst gilt der 80-jährige Gränicher Schmied als Geheimtipp, wenn es um Reparaturen und Spezialanfertigungen in Stahl und Eisen geht, die sonst kaum jemand ausführt.

 

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