Mit gemischten Gefühlen auf dem Platz

Do, 19. Aug. 2021
Erster Einsatz in brütender Hitze auf einem Fussballplatz in Aarau-Rohr. Joyce Häfeli beobachtet die Spieler des Teams Aarau und der GC-Mädchen. (Bilder: Remo Conoci)

Joyce Häfeli hat mit 16 Jahren in einer noch jungen Karriere sein erstes Fussballspiel als Schiedsrichter gepfiffen. Der Gontenschwiler, der dem FC Beinwil am See angeschlossen ist, wird vom Aargauischen Fussballverband AFV tatkräftig unterstützt, auch dann, wenn es brenzlig würde auf dem Platz.

rc. Es war kein Fussballknüller, den Joyce Häfeli am vergangenen Samstag gepfiffen hat, grosse Karrieren starten im Verborgenen. In Rohr standen sich in einem Testspiel das Team Regio Aarau a und die Mädchen U15 des Grasshoppers Clubs Zürich gegenüber. Häfeli ist mit 16 Jahren der Älteste auf dem Platz. Unter den Zuschauenden befindet sich auch sein Schiedsrichter-Betreuer, der sogenannte «Götti» oder «Coach», der das Tun des jungen Schiedsrichters genau beobachtet. Viele Probleme gab es auf dem Platz nicht «Ich habe aber sicher etwa drei Abseits-Tore gegeben», wird sich der Gontenschwiler später selbstkritisch zeigen. «Die Perspektive auf dem Platz ist schon eine andere als von den Stehplätzen. Und ohne Linienrichter ist das sowieso schwierig».

Seinem «Götti» wird darüber hinaus nicht entgangen sein, dass sein Zögling am Stellungsspiel arbeiten und sich noch etwas bestimmter durchsetzen muss. Reklamieren und Gestikulieren Richtung Schiedsrichter haben die jungen Fussballerinnen und Fussballer den «Grossen» nämlich längst abgeschaut. «Das braucht eine dicke Haut», stellte Joyce nach dem Schlusspfiff ebenfalls fest und zog eine durchzogene Bilanz. «Ich habe gemischte Gefühle. Einerseits rege ich mich über meine Fehlentscheide auf und andererseits motiviert es mich, dass ich keine grossen Böcke geschossen habe.» Nach einem vertraulichen Gespräch mit seinem Betreuer weiss Joyce Häfeli nun, woran er noch arbeiten muss. Danach fällt er seiner Freundin um den Hals. «Sie hilft mir in jeder Situation und auch der Support von Schiri-Legende Urs Meier, mit dem ich am gleichen Abend telefoniert habe, motiviert mich sehr.

Verband bildet aus und betreut

Joyce Häfeli gilt mit seinen 16 Jahren schon als Quereinsteiger. Die Förderung von möglichen Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern fängt schon im Junioren-D-Alter an, also mit 13 Jahren. Der Aargauer Fussballverband AFV arbeitet dabei mit den Vereinen eng zusammen und bietet interessierten Kindern Mini-Schiedsrichterkurse und Grundausbildungskurse zum offiziellen Schiedsrichter an. Vergleichbar mit der Laufbahn als Fussballspielerin oder Fussballspieler werden die Kinder auf ihre Eignung als Schiri getestet und die Entwicklung beobachtet. Ausbildungsverantwortlicher beim AFV ist Michael Leuenberger. «Die wichtigsten Eigenschaften für einen Schiedsrichter sind eine starke Persönlichkeit, eine gute Kommunikation, Empathie, Fitness und natürlich Regelkentnisse». Das gelte auch für die jüngsten Schiris, hält Leuenberger fest. «Ich habe mit der Schiedsrichterei vor 27 Jahren angefangen. Die Sozialkompetenzen, die ich als Spielleiter erworben habe, sind eine Lebensschule und bringen mich heute noch weiter.»

Eignet sich ein junger Mensch für die Führungstätigkeit als Spielleiterin oder Spielleiter und läuft alles in geordneten Bahnen, stehen den Unparteiischen Förderkurse zur Verfügung und schon bald erste Spiele, die geleitet werden. Gelegenheiten, wie sie auch Joyce Häfeli erhält, wenn die Leistungen stimmen. Die Talentförderung in diesem Bereich hat sich beim AFV bewährt. Nachdem die Kurse im Frühling wegen der Pandemie nicht stattfinden konnten, werden im Herbst ganze vier Mini-Schiedsrichter-Kurse und ein Grundausbildungskurs durchgeführt. «Wir sind zufrieden und zuversichtlich, dass wir für die Zukunft genügend Nachwuchs haben», ist Leuenberger überzeugt und unterstreicht, dass auch die Schiedsrichterei ein Weg in den Spitzensport sein kann.

Wenn es brenzlig wird

Aber nicht immer läuft es rund in einem Spiel.Am vergangenen Wochenende wurde die 5.-Liga-Partie zwischen II und Menzo Reinach III in der 85. Minute abgebrochen. Dem Spielbericht ist zu entnehmen, der Linienrichter habe den Schiedsrichter verbal bedroht. «In den unteren Ligen nehmen Staff-Mitglieder beider Clubs eine Art Linienrichter-Funktion ein. Im Wesentlichen zeigen sie nur an, wenn der Ball das Spielfeld verlässt», erklärt Böju-Präsident Martin Hintermann. «Am besagten Spiel brannten dem Menzo-Vertreter kurz vor Schluss wegen einem Schiri-Entscheid die Sicherungen durch und der Schiedsrichter traute sich nur unter Polizeischutz seine Sachen zu packen.» Hintermann hält aber fest, dass solche Vorkommnisse die Ausnahme sind und sich der Rest beider Mannschaften durchwegs fair verhalten hat. «Die Sache wird vom Verband ordentlich untersucht und es wird Strafen geben», sagt Hintermann. Das sei wichtig, um die Schiedsrichter zu schützen und ohne Schiedsrichter geht es ja nicht.

Zurück zu Joyce Häfeli. In Anbetracht solcher Ereignisse stellt sich die Frage, warum sich der 16-Jährige freiwillig in die Höhle des Löwen begibt. «Fussball ist für mich alles, aber mein Talent reicht nicht zum Fussballer. Ich habe mir vorgenommen, dass ich es besser mache will als die Schiris, über die ich mich als Fan im Stadion manchmal aufrege», lacht der Gontenschwiler, der im ersten Lehrjahr zum Automobilfachmann steckt. Über Häfeli, der dem FC angeschlossen ist und den auch Hintermann gut kennt, sagt der Präsident: «Ein motivierter junger Mann, für den die Laufbahn als Schiedsrichter eine tolle Chance ist». Zehn Schiedsrichter stelle der FCB aktuell, das sei ein sehr guter Wert und mache ihn stolz.Auf diesem Weg gratuliert Präsident Hintermann dem jungen Schiri Häfeli zu seinem ersten Einsatz.

Für immer in Erinnerung

Ist Häfeli soweit, dass er ohne «Götti» auskommt, kann er Spiele bis zu den Junioren B alleine leiten. Nachher steht einem steilen Aufstieg bis in die 3. Liga nichts im Wege, wenn die Leistungen stimmen. «Mein Ziel ist die Promotion League», steckt sich Häfeli sein eigenes Ziel. Auch da wird er nicht allein gelassen. Bei regelmässigen Spielbesuchen von Schiri-Coaches, beim Erfahrungsaustausch, bei Lehrabenden und beim Konditionstraining findet jeweils ein intensiver Austausch statt. Zusätzlich steht den Absolventen des Grundausbildungskurses während der ersten zwei Jahre ein Gruppenchat zur Verfügung, bei dem sie sich austauschen und Rat holen können.

Am vergangenen Samstag haben die GC-Mädchen gegen die Buben aus Aarau 13:2 gewonnen, das Spiel wird nicht in die Geschichte eingehen. Der junge Joyce Häfeli aber wird sich ein Leben lang an seinen ersten erfolgreichen Einsatz erinnern.

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