Am 28. September fallen in Menziken (möglicherweise) zwei wichtige Entscheidungen: Sofern es keinen zweiten Wahlgang gibt, wird der Gesamtgemeinderat neu bestellt und der Souverän stimmt über die flächendeckende Einführung von Tempo 30 auf Gemeindestrassen ab. Zwei Themen, die inzwischen eng verknüpft sind.
rms. Die Ausgangslage ist einfach: Die Anzahl Sitze im Gemeinderat von Menziken wird nach der fusionsbedingten Vergrösserung − mit der Fusion von Menziken und Burg per Anfang 2023 wurden zwei Burger Gemeinderäte in den Menziker Gemeinderat aufgenommen − von 7 auf 5 reduziert. Bei den Gesamterneuerungswahlen interessieren sich 8 Personen für die 5 Sitze: Neben 5 «Bisherigen» auch 3 «Neue». Bei Gesamterneuerungswahlen ist es politisch erlaubt, auch Ammann und Vizeammann-Sitze anzugreifen.
Deshalb wird’s herausfordernd
– Das bisherige Gemeinderatsmitglied Simon Baumgartner (SVP) will dem bisherigen Gemeindeammann Erich Bruderer (FDP) den Sitz an der Spitze streitig machen.
– Der bisherige Gemeinderat Hans-Heinrich Leuzinger (SVP) will den vakanten Sitz des Vizeammanns erobern, nachdem Andreas Mäder (SVP) zurückgetreten ist.
– Jörg Stalder (FDP) möchte ebenfalls Vizeammann werden, er gehörte dem Gemeinderat bisher noch nicht an.
– Neben den bisher Genannten wollen sowohl die «Bisherigen» Alfred Merz (SP) und Ursula Friedrich (parteilos), als auch Philipp Aeschbach (parteilos) und Daniel Wittwer (parteilos) neu dem Gemeinderat angehören.
Und jetzt wird’s kompliziert
Ebenfalls am 28. September wird die Bevölkerung an die Urne gerufen, um über flächendeckendes Tempo-30 auf Gemeindestrassen zu befinden. Ein Thema, das mit der Gesamterneuerungswahl inzwischen eng verknüpft ist. Politisch auffällig gegeneinander positioniert haben sich die FDP und die SVP, und das kam so: Nachdem die Gemeindeversammlung die Einführung am vergangenen 11. Juni mit 133:105 Stimmen genehmigt hatte, ergriff die Partei von Gemeinderat und SVP-Parteipräsident Leuzinger das Referendum dagegen – ein Vorgehen, das von FDP-Gemeindeammann Bruderer als Verletzung des Kollegialitätsprinzips taxiert wurde − Leuzinger sieht das anders. Seither ist auf «Facebook» und im echten Leben eine emotionale Debatte entbrannt.
Bruderer und Leuzinger wechseln sich in den sozialen Medien mit Beiträgen vor allem zu Tempo 30 ab. Von Leuzinger ist zu erfahren, dass die Temporeduktion Notfalldienste ausbremse und keine Sicherheit schaffe, auch der Lärm werde nicht reduziert, dafür das Gewerbe geschwächt. Bruderer hält mit den Stichworten «Sicherheit», «Solidarität» und «Weitsicht» diametral dagegen und teilt ein Bild auf dem steht: «Mehr Sicherheit – Weniger SVP-Lärm». Ein Faktencheck fehlt beidseits.
Ende Juli sorgte ein abgestellter Autoanhänger für Furore, auf dem eine FDP-Wahlwerbung von Erich Bruderer und Jörg Stalder zu sehen ist, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Plakatierung noch nicht erlaubt war. Die SVP Ortspartei reklamierte beim Gemeinderat, die FDP-Vertreter argumentierten, der Anhänger stehe auf privaten Raum.
Walter Winteler, Vizepräsident der SVP Menziken, reichte eine Stimmrechtsbeschwerde beim Kanton ein, es seien an der Gmeind nicht alle Stimmen angehört worden. Bruderer konterte, es habe ja keine Wortmeldungen mehr gegeben. Die Beschwerde wurde inzwischen zurückgezogen.
Auch in Leserbriefen und in Gesprächen im Dorf hält man sich mit Kritik nicht zurück: Befürworter der Temporeduktion sagen, die SVP würde mit falschen Tempo-30-Argumenten auf Stimmenfang gehen − Gegner finden, mit allgemeinen Temporeduktionen argumentiere man an der Realität vorbei.
Am vergangenen Wochenende nun der vorläufig letzte Tiefpunkt: Leuzinger teilte ein Bild, auf dem eine unbekannte Täterschaft ein SVP-Plakat zerstört hat.
Kommentar
Die Debatte um Tempo 30 ist allgegenwärtig und sie wird die Gemeinderatswahlen unweigerlich beeinflussen, sei es nur deshalb, weil die beiden Lager es verstehen, das Stimmvolk mit Emotionen in beide Entscheidungen einzubeziehen. Etwas vergessen geht dabei, dass es bei Erneuerungswahlen um viel mehr als Tempo 30 geht. Die Gemeinde sieht sich zahlreichen Herausforderungen gegenübergestellt, die weniger laut diskutiert werden.
Vielleicht werden die lautstarken Kandidaten dank Tempo 30 gewählt. In diesem Fall wird es spannend sein zu verfolgen, ob sie wieder zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zurückfinden. Vielleicht überholt aber einer der weniger lauten Kandidierenden alle, still und leise mit Tempo 30. In einem Punkt sind sich wenigstens alle einig: Abstimmen und wählen sollte für alle Stimmberechtigten eigentlich Pflicht sein. Roland Marti
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