Volk verpasst Gemeinderat Denkzettel

Sa, 26. Nov. 2016
Bild: Remo Conoci

Historische Eiwohnergemeindeversammlung in Uerkheim: Zuerst verweigerten die Stimmbürger ihrem Gemeinderat höhere Entschädigungen, danach wurde auch noch das Budget 2017 abgelehnt. Nach einem Rückkommensantrag wurde dieses aber noch einmal beraten - und angenommen.

 

rc. Es war eine turbulente Gemeindeversammlung "über die wir noch in ein paar Jahren reden werden", wie Gemeindeammann Markus Gabriel zum Schluss der „Gmeind“ feststellen wird. Dass ihm eine spezielle Versammlung bevor stehet, damit rechnete er, denn eine Erhöhung der Entschädigungen für die Ratsmitglieder steht nicht oft auf einer Traktandenliste. "Ich spiele hier den Winkelried" sagte Gabriel noch mit einiger Zuversicht vor dem Beginn der Versammlung und unterstrich auch später vor der Gemeinde seine Ansicht mit den Worten: "Es ist nicht einfach hier vorne im Glashaus, in das alle Steine werfen wollen".

Überraschend klar wurde vorerst der "neue" Kredit für die Schulhaus-Sanierung bewilligt. 1,3 Millionen Franken werden gebraucht, um die nötigsten Reparaturen durchzuführen. Bereits bewilligt wurden vor anderthalb Jahren schon 2,2 Millioenen – damals aber für eine XXL-Variante, an der sich auch der Kanton beteiligt hätte. Dieser strich nun aber seine Beiträge, weil Uerkheim zu wenig verschuldet ist.

Dann wars aber vorbei mit der Ruhe. Gute 10 Minuten referierte Votant René Tresch gegen die Erhöhung der Gemeinderats-Besoldung, nachdem er dies in der regionalen Presse in Form von Leserbriefen schon getan hatte. "Das liegt mir schwer auf dem Magen", sagte er und argumentierte, der Gemeinderat dürfe für seine Versäumnisse im strukturellen Bereich und in Anbetracht der viel zu hohen Verwaltungskosten nicht auch noch belohnt werden. Tresch erntete dafür Applaus, Gemeindeammann verlangte, das nach Voten nicht applaudiert werde. Ein weiterer Redner teilte die Meinung von Tresch und fügte an, es sollte einem Bürger eine Ehre sein, im Gemeinderat sitzen zu dürfen.

Antrag abgelehnt, Budget abgelehnt

Die Finanzkommission verlangte in der Entlöhnungsfrage erfolgreich eine geheime Abstimmung; die Mitglieder des Gemeinderats und die direkten Verwandten mussten die Turnhalle verlassen. Mit 72:6 Stimmen schmetterte der Souverän den Antrag des Gemeinderates ab, was dem Ammann nach seiner Rückkehr die sarkastische Bemerkung entlockte: "Ich danke Ihnen für den Sparwillen. Vielleicht war es diese Bemerkung, vielleicht das allgemein angespannte Klima - was nun folgte, überraschte aber alle: In der Debatte zum Budget 2017 meldete sich erneut wortreich Urs Tresch, verglich die Uerkener Zahlen mit denen von Nachbargemeinden und wetterte gegen die Geldverschwendung. Damit sprach er offenbar dem Plenum aus dem Herzen, denn dieses lehnte das Budget 2017 mit 37:26 Stimmen ab – wohl auch zur Überraschung jener, die dem Gemeinderat mit ihrem Nein nur einen Denkzettel verpassen wollten.

Rückkommensantrag im letzten Moment

„Das ist nicht gut gelaufen“, sagte Votant Hans Widmer im letzten Traktandum „Verschiedenes“, streckte den Mahnfinger auf und zählte die fatalen Folgen auf, ohne ein Budget ins neue Jahr zu starten. „Dann sind wir in drei Monaten wieder hier und keinen Schritt weiter“. Sein Rückkommensantrag wurde von der Gmeind gutgeheissen und es konnte noch einmal über das Budget debattiert und abgestimmt werden. Es war zuletzt der beherzten Ansprache von Vizeammann Urs Räbmatter zu verdanken, dass sich die Uerkener umstimmen liessen und sie das Budget mit 55:7 Stimmen doch noch angenommen haben.

Bei all der Aufregung ist die anschliessende, hitzig geführte Diskussion über eine Funkantenne nur noch eine Randnotitz wert; die Anfrage blieb ohne Ergebnis. In einem zusätzlichen Antrag aus der Versammlung wurde der Gemeinderat mit gosser Mehrheit beauftragt, über die Bücher zu gehen um Sparmassnahmen zu finden. Eine Aufgabe, „die wir gewissenhaft angehen werden“, wie Markus Gabriel abschliessend versicherte und sich dabei - ohne Sarkasmus - auch für das Budget-Ja bedankte.

„Ich bin enttäuscht“

Nach der Veranstaltung zeigte sich Gemeindeammann Markus Gabriel enttäuscht. „Wenn man bedenkt, dass wir in dieser Amtsperiode schon drei Rücktritte hatten, kann es doch nicht so weiter gehen. Die Leute wollen aber so weiter machen und das verstehe ich nicht“. Das Gemeindeoberhaupt spricht die Rücktritte aus dem Gemeinderat von Daniel Hürzeler im März 2015 und von Kirsten Hauri im Februar dieses Jahres an, die beide aus beruflichen Gründen die Segel strichen. Der jüngste Rücktritt betrifft Roy Pohle, der nach nur drei Monaten im Amt aufgibt. Pohle sagte auf dem Nachhauseweg von der Versammlung: „Ein solches Amt lässt sich mit Familie und Beruf nicht ohne weiteres verbinden, das habe ich unterschätzt.“

Steht ein weiterer Rücktritt an?

Gabriel bleibt vom Grundsatz überzeugt: „Die Leute haben nicht begriffen, dass Gemeinderäte einen Beruf haben, eine Familie. Dafür braucht es eine Entschädigung, damit man im Geschäft reduzieren kann. Jetzt reduziere ich eben nicht, ich verdiene besser als mit der Entschädigung.“ Dieser Entscheid würde aber auf Dauer dazu führen, dass niemand mehr für die Arbeit im Gemeinderat motiviert werden kann, befürchtet der Primus. Vielleicht habe der Entscheid von heute Abend Signalwirkung auf andere Gemeinden, das bleibe abzuwarten. Er sagt das alles in einem etwas resignierten Ton. Acht Jahre war er Gemeinderat, weitere acht Jahre Vizeammann und jetzt Ammann – Gabriel ist einer der weiss wie der Hase läuft und trägt das Herz auch in dieser Situation auf der Zunge:  „Jetzt erwarte ich von den lautstarken Rednern, dass sie sich auch einmal für ein solches Amt zur Verfügung stellen - aber das wird nicht passieren.“ Denkt er nach einem solchen aufwühlenden Abend etwa an den eigenen Rücktritt? Gabriel sagt nichts, findet zum ersten Mal an diesem Abend keine Worte. Was immer auch passieren wird: Ruhig wird es in Uerkheim nicht bleiben – was im Grunde ja für eine aktive Dorfbevölkerung spricht und das ist ja nicht schlecht.

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