Hans Aemisegger, Präsident des Aargauischen Fussballverbandes (AFV) hat an einer kurzfristig einberufenen Medienkonferenz seinen Rücktritt bekannt gegeben. Auch Richard Zwicker hört auf.
rc. Hintergrund für die Rücktritte sind Darstellungen, die in den vergangenen Tagen und Wochen durch die «Aargauer Zeitung» publik gemacht worden sind und teilweise von nationalen Medien aufgenommen wurden. Darin werden Präsident Hans Aemisegger Verfehlungen vorgeworfen, etwa ein «diktatorischer Führungsstil» und «Vetterliwirtschaft». Aemisegger sprach an der Medienkonferenz im Namen der teilnehmenden Vorstandsmitglieder Richard Zwicker und Maurice Besson: «Wir sind erschüttert und betroffen über das tendenziöse Vorgehen der Aargauer Zeitung beziehungsweise der beiden Redaktoren.» Laut deren Darstellung habe sein, Aemiseggers, Alleingang dazu geführt, dass drei Personen in der Geschäftsleitung gekündigt hätten. Dies stimme ebenso wenig wie die Behauptung, der Präsident des AFV habe dem Leiter des Projekt «Kicker Talents» das Mandat auf eigene Faust entzogen.
Indiskretionen
In seiner Stellungnahme hält Aemisegger fest, dass alle, insbesondere gegen seine Person geführten,Anschuldigungen entkräftet werden können. Als Beispiel nannte der Unterkulmer die Vergabe eines Auftrages für ein Werbevideo. Entgegen den Behauptungen in der Tagespresse, gehöre die ausgewählte Firma nicht seinem Sohn, er sei dort nur minimal beteiligt. Ebenso stimme es nicht, dass er, Aemisegger, die Vergabe allein entschieden habe, sondern dies ein Mehrheitsentscheid des Vorstands gewesen sei. Der in der Presse durch Indiskretionen veröffentlichte Betrag, der dafür bezahlt worden sei, gehöre in einen höheren Zusammenhang gesetzt. So habe die beauftragte Firma zusätzliche Arbeiten übernommen und es seien dadurch Kontakte zu möglichen anderen Sponsoren entstanden.
«Dem Ehrenamt einen Bärendienst erweisen»
Dass sich Hans Aemisegger den Rücktrittsforderungen dennoch beugt, habe mit der Art und Weise zu tun, wie er als ehrenamtlich tätige Person öffentlich in ehrverletzender Weise angegriffen werde. Aemisegger kritisierte die Weitergabe vertraulicher Dokumente, die in ihrer Unvollständigkeit falsche Interpretationen zugelassen und deshalb grossen Schaden angerichtet hätten. Auch falsche Behauptungen der «AZ», es würden Steuergelder verschwendet, stimme nicht, sagte Aemisegger später. Tatsächlich kann diese Information dem Geschäftsbericht entnommen werden: der AFV finanziert sich durch Mitglieder- und Sponsorenbeiträge sowie durch Einnahmen aus dem Swisslos Sportfonds (der durch Wett- und Lotto-Einsätze finanziert wird, nicht durch Steuergelder). Im Wesentlichen wiederholte Aemisegger damit eine Stellungnahme des AFV von Mitte März 2019.
All diese Ereignisse habe die Tagespresse genutzt, einseitig im Sinne der Unruhe zu berichten und ein «Sperrfeuer zu entfachen». So habe der AFV aufgrund dieses Vorgehens keine Chance gehabt, die Sache intern aufzuarbeiten. «Das hat der Aargauer Fussball nicht verdient. Dass aber nicht allen alles passt, das sei nicht mehr als normal. Ich bin erschüttert, dass die Drahtzieher den Leuten im Ehrenamt einen Bärendienst erweisen», es werde so immer schwieriger Freiwillige zu finden und ein geordneter Übergang sei in diesem Fall nicht mehr möglich. Die Frage müsse gestellt werden, ob das Ehrenamt auf diese Weise noch möglich bleibt.
Auch Richard Zwicker tritt zurück
Im Zuge dieser «öffentlich geführten Schlammschlacht» hat sich auch das weitere Vorstandsmitglied Richard Zwicker zum Rücktritt entschieden. Zu Wort meldete sich auch Maurice Besson. Beide zeigten sich an der Medienkonferenz erschüttert über das Vorgehen «der Medien». Zwicker verwies auf die Statuten des AFV, die nicht einfach über die Medien ausgehebelt werden können. Es könne nicht sein, dass der AFV von hochbezahlten Geschäftsleuten geführt werde. Maurice Besson konzentrierte sich bei seinem Votum auf das Projekt «Kicker Talents», das «sehr gut unterwegs ist». «Mir war immer wohl, wenn wir über Fussball gesprochen haben und die beiden zurücktretenden Kollegen haben immer mit viel Herzblut geholfen. Hier haben wir eine riesengrosse Lücke zu schliessen.»
Ins Amt des Präsidenten rückt damit wohl der bisherige Vize-Präsident Luigi Ponte nach. An einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung des AFV, oder spätestens an der ordentlichen Versammlung im August, ist ein neuer Vorstand zu wählen. Dieser bestimmt im Weiteren auch über die Besetzung der Vakanzen in der Geschäftsstelle und bei der Leitung von «Kicker Talents».
KOMMENTAR
Wir sind nicht die Richter
Da stimmt was nicht. Zu diesem Schluss kommt man, wenn man die bisherigen Episoden im «Fall Aemisegger» verfolgt hat. Mit Besorgnis stellt man fest, dass die Sache viele Verlierer hinterlässt.
Zunächst einmal den Aargauischen Fussballverband, in dem es ganz offensichtlich zu Meinungsverschiedenheiten gekommen ist. Dokumente wurden an ein Medienhaus getragen, Trennungen vollzogen, wohl mit dem rühmlichen Ziel, etwas ändern zu wollen – oder aus Angst, nichts mehr ändern zu können. Das ausgesendete Signal ist aber ein anderes, es wirkt wie eine Drohung: Konflikte gehen nicht den geordneten Weg (in diesem Fall über eine Delegiertenversammlung), sondern werden dem Richter namens «Öffentlichkeit» übertragen.
In ein schlechtes Licht geraten auch jene Medien, die sich in solchen Fällen zu einseitigen Darstellungen verleiten lassen. Natürlich muss sich Hans Aemisegger den Vorwurf gefallen lassen, nicht mit den ungeliebten Journalisten gesprochen zu haben. Dennoch lassen sich die «Auftragserteilung im Alleingang», die «Verschwendung von Steuergeldern» und die «eigenmächtigen Personalentscheide» auch ohne dessen Aussagen widerlegen.
Und zuletzt leidet das Ehrenamt. Jeder, der sich als Freiwilliger zur Verfügung stellt, will und darf nicht in ein solches Sperrfeuer geraten. Nach dem öffentlichen Anprangern wird es noch schwieriger, ehrenamtliches Personal zu finden. Es kann durchaus sein, dass der Präsident Fehler gemacht oder vielleicht sogar vorsätzlich falsch gehandelt hat. Rechtfertigt das eine solche Zurschaustellung? Sind wir die Richter? Nein. Weder die Medien noch die Öffentlichkeit.Wenigstens die Unschuldsvermutung wäre ihm daher zugestanden.
Remo Conoci, Redaktor