Streiflicht

Do, 13. Mär. 2025

Voyage

5:55 Uhr − der Radiowecker meldet sich und spielt «Perfect World» von Huey Lewis. Wohl wissend, dass die Welt alles andere als perfekt ist, schlummere ich weiter und drehe mich noch einmal um.

5:57 Uhr – im Radiowecker beginnt ein neuer Song. Eine angenehme, junge Frauenstimme säuselt in französischer Sprache ein «Faire un voyage avec toi». Ich werde neugierig, wer denn hier mit mir verreisen will und realisiere: Das ist Zoë Më! Sie wird die Schweiz im Mai beim ESC, dem European Song Contest, im eigenen Land vertreten. Ich vertiefe mich noch einmal in die Bettwäsche und in dieses Chanson.

«Quoi qu’il advienne je ne cesserai jamais de chanter pour toi.» Was auch geschieht, sie will nie aufhören, für mich zu singen. Gute Idee, wo es doch gerade so gemütlich ist. Aber irgendwann muss sie doch nach Basel reisen. Dort wartet die grösste Bühne auf sie, die man sich vorstellen kann.

Der riesige Rummelplatz der Eitelkeiten, Freaks, Blödelbarden und gleichzeitig Treffpunkt der LGBTQ-Szene (sorry, falls ich einige Buchstaben vergessen habe) schlägt ja in diesem Jahr seine Zelte am Rheinknie auf. Und dort, mitten auf dieser Bühne, wird Zoë Më stehen. Wenn nicht ein grosses Wunder geschieht, wird sie von dem Millionenpublikum kaum wahrgenommen werden, denn ihr Song «Voyage» ist für ESC-Verhältnisse bieder, brav, sehr, sehr unauffällig. An der Sprache liegt es sicher nicht. Lys Assia im Jahr 1956 mit «Refrain» und Céline Dion 1988 mit «Ne partez pas sans moi» holten den Sieg für die Schweiz ja auch mit französischen Titeln. Sicher ist, wir sind beim Final am Samstag dabei, denn als Gastgeberland müssen wir nicht durch die Halbfinals. Und dort werden wir bestimmt auch ein paar Punkte erhalten. 12 von Frankreich, vielleicht 10 von Belgien. Das ist meine Prognose. Aber es fehlt der grosse Knall, der Wow-Effekt ...

6:00 Uhr − die Nachrichtensprecherin holt mich aus meinen Gedanken und aus dem Bett. Sie erinnert mich mit Begriffen wie Ukrainekrieg, Klimakrise, Gaza, Armut und Kostenexplosion unsanft daran, dass die Welt alles andere als perfekt ist. Ach, hätte Zoë Më mit ihrem gefälligen Chanson doch nur wirklich nie aufgehört, für mich zu singen! Ich hätte ihr dafür auf jeden Fall eines ganz sicher gegeben: «Douze points!»

Roland Marti

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