«Ich bin gewohnt, Sachen an der Wurzel anzupacken»

Do, 05. Jun. 2025
Christian Galliker (40) ist mit Leib und Seele Biobauer und Agronom. (Bilder: René Fuchs)

Lebenswege sind variantenreich, überraschend, herausfordernd, erfüllend und nicht immer planbar. Abzweigungen, Sackgassen, Marathonstrecken und Brückenschläge gehören ebenso dazu wie Erfolgswege und Zieleinläufe. In lockerer Folge berichten Persönlichkeiten von ihren Lebenswegen. Heute ist es Christian Galliker (40), ausgebildeter Landwirt und Agronom aus Maihusen.

René Fuchs

«Als Biobauer bin ich es gewohnt, Sachen an der Wurzel anzupacken», schmunzelt der zweifache Familienvater auf einem seiner gepflegten Felder. Eine verantwortungsvolle regionale Nahrungsmittelproduktion liegt ihm sehr am Herzen. Dabei echte Lösungen zu finden, statt Symptombekämpfung zu betreiben, entspricht seinem Naturell. Er versteht sich auch als Brückenbauer zwischen dem landwirtschaftlichen Verbandswesen und der Politik.

Ein Tausendsassa

Aufgewachsen ist der Zweitjüngste von fünf Kindern in der Maihuser Bauernfamilie von Kaspar und Ruth Galliker. Im nördlichsten Weiler von Beromünster, an der Grenze zum Kanton Aargau, der sechs Bauernhöfe zählt. Inmitten einer vielfältigen Landschaft mit kleineren Waldstücken, Wiesen, Weiden und Obstbäumen erlebte Christian eine erlebnisreiche und idyllische Kindheit. Der Stammbaum der «Hansieris» reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Das stattliche Bauernhaus ist rund 350 Jahre alt.

Unvergessen bleibt ihm die familiäre Primarschulzeit im Schwarzenbacher Schulhaus. «Wir waren zu fünft in der Klasse», schmunzelt der Maihuser. Noch heute ist er mit vielen seiner ehemaligen Schulkolleginnen und -kollegen freundschaftlich verbunden. Auf dem Hof lernte er früh mit anzupacken: Kälber tränken, Obst auflesen, Futterrüben säubern oder Kartoffeln sortieren gehörte dazu. Doch immer wieder zog es ihn mit Kollegen in den nahen Wald. Eine kleine Hütte sollte zum Treffpunkt und Startpunkt vieler Freizeitabenteuer werden. Dem Alter und dem handwerklichen Geschick angepasst, wurde die Hütte in der Nähe des Hofes im Lauf von zwanzig Jahren immer komfortabler.

Einen hohen Stellenwert hatte die «Pfadi Möischter» inne. Mit verschiedenen Altersgruppen unterwegs zu sein, Ideen zu kreieren und interessante Projekte umzusetzen, begeisterte Christian. Sein Pfadiname «Nils» entsprach seinem Wunsch, die Welt zu entdecken und neugierig unterwegs zu sein. So, wie der kleine Nils Holgersson im schwedischen Kinderbuch eine wunderbare Reise mit den Wildgänsen unternimmt. «Etwa zwanzig Lager habe ich insgesamt erlebt», schwärmt der Maihuser. Vom Wölfli bis zum Abteilungsleiter setzte er sich unentwegt für die Pfadi ein.

Dass das Leben vor Schicksalsschlägen nicht gefeit ist, zeigte sich während der Oberstufenzeit in Beromünster und später. Der Klassenlehrer starb unverhofft. «Unsere zusammengewürfelte Klasse aus Gunzwil, Neudorf und Schwarzenbach hat dies zusammengeschweisst», erinnert sich Christian Galliker. «Wir hatten einen sehr guten Ruf im Schulhaus, obwohl wir in der Freizeit auch die Grenzen suchten.» Dazu gehörten auch mehrtägige Velo- und Töfflitouren um den Zugersee und über den Gotthard.

«Bei der Berufswahl liess ich mich etwas treiben», erzählt der Biobauer. «Ich suchte nicht nach Alternativen und begann die Ausbildung zum Landwirt in Kottwil, obwohl mir die Klassenlehrerin eine kaufmännische Lehre empfohlen hatte.» Die Kollegen, die «Guggenmusig Bräntetätscher» und die Waldhütte waren ihm wichtiger, als in die Fremde zu ziehen. Nach dem zweiten Lehrjahr in Hohenrain folgte am gleichen Ort die Landwirtschaftliche Jahresschule. Der Ehrgeiz erwachte und es erstaunt nicht, dass für ihn darauf die naturwissenschaftliche BMS am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg auf dem Programm stand. Ein schulisch strenges Jahr, das einiges an Disziplin abverlangte. Nach dem Durchdienerjahr im Militär als Motorfahrer in Burgdorf und Emmen 2005/06 setzte er die Mitarbeit auf dem elterlichen Landwirtschaftsbetrieb fort. Ein weiterer Meilenstein war von 2006 bis 2009 das Studium Agronomie Major «Agrarwirtschaft» an der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft, Zollikofen mit Vertiefung in «Management und Leadership».

Zu einem wahren Abenteuer wurde die dreimonatige Osteuropareise. «Mit meinem abgefahrenen Studentenauto fuhr ich bis nach Moldawien und in die Ukraine.» Dort wollte er einige Landwirtschaftsprojekte auf Empfehlung der Schule besuchen. «Pro Tag betrug mein Budget zehn Euro», schmunzelt Christian Galliker. «Ich erlebte eine grosse Gastfreundschaft und Hilfe, auch als ein Radlagerproblem mein Auto stehen liess.» Seine Freundin und heutige Frau Conny flog nach Kiew, um ihn zu besuchen. Während zehn Tagen reisten sie auf die Halbinsel Krim und nach Odessa. Auf dem Rückweg durch Moldawien war die Armut allgegenwärtig. «Unvergessen bleibt mir das Bild, als eine alte Frau mitten im Stadtverkehr ihre Kuh am Strassenrand grasen liess. Oder die Korruption, die überall mitmischte und bei Beamten Geldscheine zum Verschwinden brachte.» Voller Eindrücke und Dankbarkeit, in der Schweiz leben zu dürfen, kehrte er zurück. «Was jetzt in der Ukraine passiert, erschüttert mich», sagt er beim Erzählen in sich gehend.

Nach einem zweijährigen Weiterbildungslehrgang schloss er 2013 das Nachdiplomstudium Agrarrecht der Universität Luzern ab. Inzwischen hatte auch Amor ganze Arbeit geleistet. Im gleichen Jahr heiratete Christian seine Frau Conny. 2015 und 2016 wurden ihnen zur grossen Freude die beiden Kinder Miro und Jill geschenkt.

2015 übernahm das Paar den elterlichen Landwirtschaftsbetrieb. Der konventionell geführte Hof wurde in einen Biobetrieb umgestellt: 24 Hektaren mit drei Fünfteln Ackerbau und zwei Fünfteln Wiesland. Zum Hof gehören 16 Mutterkühe mit ihren Kälbern, ein Stier und 2500 Biohühner in mobilen Weideställen. Das Tierwohl, eine gesunde Lebensmittelproduktion und flexiblere Arbeitszeiten standen im Fokus der neuen betrieblichen Ausrichtung. «Somit kann meine Frau auch als Drogistin und Berufsschullehrerin auswärts arbeiten», sagt der Maihuser. Und sein Engagement in der Bio-Szene und im landwirtschaftlichen Verbandswesen bleibt möglich. So war er von 2015 bis 2020 im Vorstand des Schweizer Bauernverbands und ist heute Co-Präsident von «Bio Luzern» und Vizepräsident des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands.

Alles unter einen Hut zu bringen, verlangt wahrlich ein gutes Zeitmanagement. Denn in der Freizeit ist die Musikgesellschaft Schwarzenbach und die Kleinformation «Cantinas», eine Brass-Funk-Pop Bläserband, hoch im Kurs. Mitentscheidend dabei war das langjährige Mitwirken bei der «Guggenmusik Bräntetätscher» Schwarzenbach. «Dort habe ich als Saxofonist das Posaunenspiel erlernt», lacht Christian Galliker. Ein Tausendsassa, der auf vielen Hochzeiten tanzt und selbst beim Laientheater Schwarzenbach die Hand im Spiel hatte.

Ruhiger geht es zuhause zu und her. «Meistens koche ich für die Kinder am Mittag, helfe ihnen bei den Hausaufgaben und nehme mir für sie und die Familie Zeit. «Meine Frau und ich teilen uns bewusst die Kinderbetreuung und das Familienmanagement im Alltag auf», sagt der zweifache Familienvater. Denn seine Familie trage ihm mehr zum Lebensglück bei als der unternehmerische und politische Erfolg. Dank seinen Eltern und einer Lernenden sind neben seiner Arbeit auf dem Hof und im Büro auch mal Ferientage mit der Familie im geliebten Wallis möglich.

Politische Herausforderungen an der Wurzel anzupacken, reizt den Maihuser Biobauer unentwegt. Auf dem ersten Ersatzplatz der Mittepartei wartet er auf den Einsitz im Luzerner Kantonsrat. «Ich bin zuversichtlich, dass es bei den nächsten Wahlen klappen wird», sagt er. Seit diesem Jahr ist er auch Co-Präsident der Ortspartei Mitte in Beromünster. Das Studium von Dossiers, die Sitzungsarbeit und die Lösungssuche halten ihn dabei auf Trab. Doch am meisten freut er sich im Voraus auf den Anlass «Vo Buur zu Buur – z’Fuess d’Landwirtschaft erläbe» am 21. September 2025 in Beromünster, dessen Organisationskomitee er vorsteht. Denn Landwirt ist und bleibt er mit Leib und Seele.

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