Die Sorgen der Bürger

Fr, 30. Sep. 2016
"Meet & Greet" der Kulmer Kandidierenden für den Grossen Rat, Wahlen 2016 - hier im Schlossgarten Schöftland (Bild: Remo Conoci)

«Den Wähler beschäftigen viele verschiedene Sorgen» – so in etwa dürfte die Bilanz der Kulmer Kandidierenden für den Grossen Rat gewesen sein, die nach den vielen Gesprächsrunden beim «Meet & Greet» vielleicht sogar einen neuen Blick auf das regionale Geschehen gewonnen haben.

Wer im Grossen Rat des Kantons Aargau sitzt, muss zweimal im Monat an einer Sitzung teilnehmen. Davor und danach muss er oder sie stapelweise Dokumente lesen und sich bei Wortmeldungen und Abstimmungen für die Bedürfnisse seiner Wähler einsetzen. Aus dem Bezirk Kulm werden neun Abgesandte nach Aarau geschickt, denen aufgetragen wird, diese Bedürfnisse zu vertreten. Doch welche Sorgen plagen die Bürger? Kann man als Grossrat überhaupt allen Erwartungen gerecht werden?

Spontane Gesprächsrunden

Stellvertretend für alle vier Restaurants, in denen zeitgleich ein «Meet & Greet» stattgefunden hat, besuchen wir die fünf Kandidierenden im Restaurant Schlossgarten in Schöftland. Kurt Heiz nimmt gerade die Bestellung an einem Tisch auf. Die reine Frauenrunde hat sich eigens für das Treffen mit den Politikern angemeldet: «Wir waren gwundrig», sagen sie, auch wenn nicht alle im Wahlalter sind. Freundlich serviert der EDU-Kandidat das Essen und gesellt sich dann wieder zu den übrigen Kandidierenden, die beim Eingang einen kleinen Kreis gebildet haben. Ein Gast erkundigte sich spontan bei Bruno Rudolf mit den Worten: «Sie sind doch von der SVP. Ich habe eine Frage: ich bin Kindergärtnerin und wollte wissen: Was macht die SVP für uns?» Nicht nur Rudolf gibt Auskunft, auch die weiteren Kandidaten bringen sich in die Diskussion ein: Matina Hämmerli, Alfred Merz und Fabian Guillemin.

Nicht wie Clinton und Trump

Nach dem Gespräch sollte Letzterer sagen, dass ihm diese Art des Austausches sehr gut gefalle. Der EVP-Mann findet auch den parteiübergreifenden Anlass interessant: «Im Grunde ist es unsere Aufgabe, miteinander Lösungen zu finden, nicht gegeneinander», sagt Guillemin. Er findet aber auch, dass man deshalb nicht die gleiche Meinung wie alle anderen haben muss. Schlimm sei, wie derzeit in den USA Wahlkampf betrieben werde: «Da greifen sich Hillary Clinton und Donald Trump persönlich an und liefern keinerlei Lösungen, wie die Probleme des Landes gelöst werden könnten.»

...Immerhin können so keine Wahlversprechen gebrochen werden, ist man geneigt anzumerken.

Miteinander statt gegeneinander

Wahlversprechen will auch Matina Hämmerli nicht in den Vordergrund stellen, sondern mit einer klaren, ehrlichen Linie punkten. Natürlich folgt sie den Idealen der Grünen Partei, der sie angehört. Das machen alle anderen Kandidierenden bei ihren Parteien auch. Den Unterschied macht also die Persönlichkeit aus, das Auftreten in der Öffentlichkeit. Das sieht auch Alfred Merz so. Der Vertreter der SP bewirbt sich um eine zweite Amtszeit. «Gerade von einem «Bisherigen» wissen die Leute, wie er im Grossen Rat gearbeitet hat». Und somit schliesst sich der Kreis. Die Volksvertreter sind nahe beim Volk, das sie nicht nur vertreten, sondern dem sie ja auch angehören. Eine Erkenntnis des Abends war denn auch, dass Grossratswahlen nicht ausschliesslich eine Parteienwahl sind, sondern eine Personenwahl. In Schöftland haben sie alle gepunktet, vielleicht auch bald beim Arbeiten im Grossen Rat?

 

Kommentar
«Meet & Greet» ist kein Misserfolg

Die Wählerschaft strömte nicht zu Hunderten in die vier Gaststätten des Bezirks Kulm. Im Löwen Gontenschwil waren es gut 40 Interessierte, im Roten Leu in Dürrenäsch, dem Schlossgarten in Schöftland und im Schneggen Reinach kamen höchstens je ein gutes Dutzend Wähler, die sich für ein persönliches Treffen interessiert haben. Ist das «Meet & Greet» deshalb ein Misserfolg? Nein. Das wichtigste Ziel der Politik muss es sein, den Gedanken «Die machen sowieso was sie wollen» wieder aus den Köpfen der Bevölkerung zu verbannen. Leider gaben diesbezüglich die Räte auf nationaler Ebene neulich kein gutes Beispiel ab. Ob man die Masseneinwanderungsinitiative nun gut oder schlecht findet: Der Volkswille wird schlicht missachtet – warum sollte man da überhaupt noch wählen oder abstimmen gehen? Was nun die Grossrats-Kandidaten angeht, so machen sie das, was sie zu tun haben: Sie haben sich am «Meet & Greet» mit den Sorgen der Bevölkerung beschäftigt. Sie gaben zu verstehen, Alltagsprobleme anzupacken, die uns täglich beschäftigen. Denn, so emotional und aufsehenerregend die Flüchtlingsthematik, die Globalisierung und dasWeltklima auch sein mögen – direkten Einfluss haben Herr und Frau Wähler darauf kaum. Sehr wohl aber auf die Schulbildung, den Finanzhaushalt, die Bauordnung, das Sozialwesen, den Strassenunterhalt vor der eigenen Tür. Ein Versuch, der drohenden Gleichgültigkeit in der Bevölkerung zu entrinnen,war dieses «Meet & Greet». Nicht alles lief perfekt – vielleicht hätte man die Treffen auf mehrere Tage verteilen sollen, vielleicht wäre ein Abend ohne Champions League im Fernsehen geeigneter gewesen – aber der Versuch an sich ist lobenswert und die Idee sollte weiterentwickelt werden, damit die Region wieder etwas näher zusammenrückt.

Remo Conoci, Redaktor Wynentaler Blatt

 

 

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Diesen Bericht finden Sie in der WB-Ausgabe Nr. 76, vom Freitag, 30. September 2016. Abonnieren Sie das Wynentaler-Blatt noch heute - Sie verpassen nie wieder das wirklich Wissenswerte aus IHRER Region.

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