HalteStelle

Do, 27. Mär. 2025

Warum?

Ich stehe in Hitzkirch am Bahnhof, 7.41 Uhr, die S9 nach Lenzburg fährt ein. Vor mir hüpft ein etwa vierjähriger Junge auf und ab. «Lukas, mach bitte einen Schritt zurück, es ist besser, wenn du mir zum Einsteigen die Hand gibst.» Die beiden schauen sich kurz an und er entscheidet wohl, dass seine Mutter recht haben könnte. Die Höhe der Stufe liefert kurz darauf den Beweis.

Lukas sucht sich einen Fensterplatz, doch die Strecke von Hitzkirch nach Ermensee ist nicht die spannendste. «Du hast gesagt, der Zug heisst Seetalbahn», wendet er sich an seine Mutter. «Warum? Hier ist doch gar kein See.» «Der kommt schon ganz bald», beruhigt sie ihn. «Eine Haltestelle weiter in Mosen wirst du den Hallwilersee sehen.» Lukas scheint mir äusserst wohlerzogen. Keiner der «Frühmorgenzugschläfer» wird gestört. Denn der Kleine nickt und schaut wieder aus dem Fenster.

«Da! Mami, da! Da ist der See!» Nichts hält Lukas mehr auf seinem Sitz. Er ist aufgesprungen und steht mitten im 4er Abteil vor dem Fenster. «Hast du gesehen, da ist ein Schiff.» Seine Mutter beobachtet ihn schmunzelnd. Doch das genügt ihm nicht als Reaktion. Er stupst sie immer wieder, bis sie antwortet: «Ja Lukas, ich habe das Schiff gesehen.» «Wohin schwimmt es?» «Du meinst, wohin fährt es. Also so viel ich weiss, gibt es rund um den See Anlegestellen.» «Schwimmt das Schiff bis nach Lenzburg?» «Nein Lukas, Lenzburg liegt nicht am See, also kann da auch kein Schiff hinfahren.» «Schade, sonst hätten wir aufs Schiff wechseln können.»

Er schweigt einen Moment. «Warum sagst du eigentlich immer «das Schiff fährt»? Im Wasser schwimmt man doch…» Die Mutter zögert, denkt einen Moment nach. Die Synapsen ihres Sohnes arbeiten schneller. «Oder ist unter Wasser eine Strasse versteckt, die wir nicht sehen?» Ich kann fühlen, wie sehr sie sich das Lachen verbeisst. «Das weiss ich nicht, das müssen wir beide in der Bibliothek recherchieren, wenn wir wieder zu Hause sind.» Lukas hat schon einen Notfallplan. «Wenn wir dort keine Antwort finden, dann fahren wir mit dem Zug bis zum See und schauen auf dem Schiff nach.» Er blickt wieder aus dem Fenster. Mir scheint, er plant in aller Stille die nächste Reise.Am liebsten würde ich ihn begleiten.

Graziella Jämsä

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