Seit dem letzten grossen Hochwasser im oberen Suhrental wird geplant und projektiert. Inzwischen abgewendet werden konnte das Projekt des Kantons: In Staffelbach einen Damm bauen und das Kulturland fluten – ein Schock für die Bevölkerung. Das neue Projekt, so der Reitnauer Vizeammann Peter Hochuli, ist gelungen und wird die Talschaft aufwerten. Das obere Suhrental soll zum Naherholungsgebiet werden.
st. An die 130 Interessierte fanden sich in der Mehrzweckhalle Reitnau ein, um Vertretern des Kantons und der Planer zu lauschen. Erwartet wurde eigentlich eine grosse Diskussionsrunde. Allerdings blieb es dann bei einem guten halben Dutzend Fragen, die alle sehr kompetent beantwortet werden konnten. Der Kanton lädt sich mit diesem Projekt finanziell eine grosse und nachhaltige Bürde auf.
Drei Ziele in zwei Projekten
Geplant ist ein Hochwasserrückhaltebecken in Staffelbach, im selben Projekt soll die Suhre revitalisiert werden. Um nicht Landverhandlungen mit unzähligen Grundeigentümern führen zu müssen, erfordert dies Gesamtmeliorationen. Am meisten Zeit werden die Meliorationen benötigen, wie Thomas Niggli, technischer Leiter GM, BSB und Partner, diplomierter Geograph Universität Bern, erklärte. Der langwierige Prozess beinhaltet die Erhebung der Bodenqualität, denn jeder Grundeigentümer sollte nicht nur ein gleich grosses, sondern auch ein gleichwertiges Stück Land erhalten. Das Wegnetz muss saniert und teilweise neu gebaut werden. Die Drainagen sind in die Jahre gekommen, sie werden mit Kameras geprüft und wo nötig geflickt. Ökologische Ersatzmassnahmen wie Hecken, extensive Wiesen sowie die Renaturierung von Seitenbächen müssen getroffen werden. Und schliesslich werden Geländemulden ausgeebnet und das Bewässerungssystem angepasst. Mit all den Bewilligungsverfahren und Diskussionen mit den Grundstückeigentümern rechnet Niggli drei bis fünf Jahre.
880 Gebäude sind betroffen
Bastian Schmid, Projektleiter Wasserbau BVU, MSc, Umweltingenieur ETH, erklärte, dass im Suhrental bei einem 100-Jahr-Hochwasseer ein Schaden von rund 224 Millionen Franken entsteht. Immerhin sind 880 Gebäude und Industrieanlagen sowie 24 zu knapp gebaute Brücken betroffen. Geplant und zum Teil bereits in Angriff genommen sind ein Teilausbau in Suhr, Oberentfelden und Schöftland. Neu sollen in Staffelbach ein Damm mit Durchlassbauwerk und Einstaubereich sowie rückwärtige Schutzmassnahmen entstehen. Er ging auch kurz auf die Drittprojekte ein wie Gesamtmelioration mit Öffnung der Seitenbäche, Anpassung des Wegnetzes, Verlegung eines Wanderweges. Drainagen, Sammelleitungen und Einleitungen sind projektiert, bestehende Senken werden im Rahmen der Melioration aufgefüllt. Das zweite Drittprojekt betrifft den Hochwasserschutz Reitnau mit Bachausbau im Siedlungsgebiet. Dies wird durch die Gemeinde weiter projektiert. Was in diesem Zusammenhang ebenfalls in Aussicht gestellt wird, ist die Regionalisierung der Abwasserreinigung. Die ARA Attelwil-Moosleerau müsste gemäss aktuellen Zeitplänen vorübergehend angepasst und weiterhin vor Hochwasser geschützt werden, weil das ARA-Projekt noch nicht so weit gediehen ist. Derzeit wird geprüft, ob die ARA Attelwil bereits vorgezogen aufgehoben und das Abwasser übergangsweise nach Schöftland geleitet werden kann. Das Projekt Hochwassereschutz Suhrental wurde bereits 2019 vom Grossen Rat beschlossen mit Eintrag im Richtplan. Der Kredit wurde gesprochen und der Kostenteiler festgelegt. Aktuell wird das Projektdossier für die öffentliche Auflage vorbereitet.
Landschaft wird sich ändern
Adrian Stettler, Fachbereichsleiter Wasserbau Holinger, MSc, Bauingenieur ETH, erklärte die Funktion des Rückhaltebeckens und visualisierte die Revitalisierung der Suhre. Sowohl in Moosleerau als auch in Attelwil sind Privat- und Industrieliegenschaften betroffen, die geschützt werden müssen. Mit der Revitalisierung sollen mehr Feuchtgebiete geschaffen werden. Der Wanderweg entlang der «neuen», eingetieften und mäandernden Suhre soll ein Erlebnisweg werden. Holzelemente werden die Strömung steuern, ein abwechslungsreicher Lebensraum wird entstehen. Stettler zeigte Visualisierungen des Dammbauwerks, welches sich schlank in die Gegend einfügt. Aufgrund seiner Planunterlagen konnten sich die Anwesenden auch vergewissern, dass die Sicherung der ARA und der Industrie Hafni durch einen Damm sowie durch die Anhebung der Strasse gewährleistet wird. Drei Pumpschächte werden in diesem Bereich gebaut. Damit ist auch die Siedlungsentwässerung gesichert. Bei Einstauereignissen sind die maximalen Überflutungsflächen, sogar bei einem 300-Jahr-Ereignis vorgegeben.
Landschaft von nationaler Bedeutung
Lukas Marty, Leitung Gewässer SKK, Dipl. Ing. Landschaftsarchitekt FH, erklärte, dass die Moränenlandschaft Staffelbach von nationaler Bedeutung ist und die Massnahmen mit deren Schutzzielen vereinbar sein müssen. Bestehende wertvolle ökologische Elemente bleiben erhalten, weitere werden dazu gefügt, so dass die Suhre zu einem abwechslungsreichen Gewässer wird. Amphibien und viele andere Lebewesen werden sich hier wohlfühlen. Auch der Wildtierkorridor ist von nationaler Bedeutung und soll weiter ausgebaut werden. Die Suhre wird attraktiver, zumal der bereits bestehende Rastplatz in Reitnau leicht verschoben und erneuert wird. In Staffelbach wird ein weiterer Rastplatz geschaffen. Auch Parkplätze im Bereich der Suhre sind geplant.
Kosten und Ausblick
Finanziert wird das Ganze zum grössten Teil durch den Bund. Der Kanton und die unterliegenden Gemeinden beteiligen sich ebenfalls, und die Gebäudeversicherung leistet einen kleinen Beitrag. Für die betroffenen Gemeinden entstehen lediglich Kosten für gemeindeinterne Projekte.
Ende 2025 soll die Projektauflage erfolgen. Erwartet wird die Projektgenehmigung im Jahr 2026. Voraussichtlich 2028 kann die Submission der Bauarbeiten durchgeführt werden. Dann könnte ab 2029 die Ausführung dieses Jahrhundertprojektes stattfinden. «Eine Vision ist dazu da, sich auf den Weg zu machen», Zitat Susanne Hochuli.
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