Fluchten
«Wie war dein Wochenende?»
Diese Frage jeweils am Montagmorgen in unserer Redaktionsstube zielt gemeinhin nicht darauf ab, die Arbeitskolleginnen auszuhorchen. Da wir regelmässig am Wochenende beruflich unterwegs sind, um Anlässe zu besuchen, über die wir dann in dieser Zeitung berichten, geht es viel eher darum, zu erfahren, ob man auf der Suche nach guten Geschichten fündig geworden sei.
So auch letzten Montag, als mir meine Redaktionskollegin berichtete, wie interessant ihr Besuch beim Töffli-Treff der «Seckuropfer» in Böju gewesen sei. Mehrere Hundert Töffli verschiedenster Bauart, -jahre und mit unterschiedlichsten Accessoires ausgestattet versammelten sich mit ihren ebenso vielfältigen Fahrerinnen und Fahrern und bildeten einen beeindruckend knatternden Korso durch die Region.
Beim Wort «Töffli» sah ich sogleich mein eigenes Gefährt, das ich als Teenager stolz mein eigen nennen durfte, vor meinem geistigen Auge. 1395 Franken hatte das gute Stück gekostet − einen Teil berappte ich aus meinem sauer zusammengesparten Sackgeld, einen Teil steuerten meine Eltern dazu bei. Glänzend, silbergrau, Marke KTM, was meine wohl neidischen Puch-fahrenden Schulkollegen damals als «klemmt täglich mehrmals» verspotteten. Ich allerdings war mehr als glücklich mit meinem Töffli. Es lief auch gut. Gegen 50 km/h (liebe Polizei, das habe ich mir sagen lassen und selbstverständlich nie wirklich ausprobiert ...) brachte es auf die Strasse. Und es erlaubte mir kleine Fluchten, aus der gewohnten Umgebung, manchmal bis zu 30 Kilometer weit. Das war Freiheit pur.
Wenn ich das heute meiner Tochter erzähle, schüttelt sie nur ungläubig den Kopf. Sie ist fast 16 − eine Töffliprüfung oder gar ein entsprechendes Gefährt war noch nie ein Thema. Sie ist seit Jahren mit dem Velo unterwegs, auch an ihren neuen Arbeitsort, hat sie doch gerade am Montag ihre Lehre begonnen.
Zurück zu den Töfflis. Nebst meinem KTM hatte ich noch ein zweites Bild vor Augen. Eine Szene aus einem Schweizer Film: «Les petites fugues» (Die kleinen Fluchten) von Yves Yersin aus dem Jahre 1979. Der Moment, als Knecht Pipe nach seiner Pensionierung erstmals auf seinem neuen Töffli sitzt, Gas gibt und nach wenigen Metern im Strassengraben landet, löst in mir immer wieder ein herzhaftes, breites Lachen aus. Das ist auch wie eine kleine, angenehme Flucht. Und genau so eine wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser − egal ob mit oder ohne Töffli.
Roland Marti
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