Leinen ist ein Stoff, der für seine Atmungsaktivität und Umweltfreundlichkeit bekannt ist. Doch damit dieser Stoff überhaupt entstehen kann, muss die Flachspflanze zuerst bearbeitet werden. Wie dies früher geschah, wurde am Samstag in Boniswil demonstriert.
mek. Ein feines Hacken ist schon aus der Ferne zu vernehmen und auch viele Gespräche erreichen die eigenen Ohren. Es ist klar, in Boniswil ist etwas Besonderes los. Ursula Wiederkehr Frei und Nicole Oehninger organisieren zum ersten Mal die «Flachs-Brächete» und zeigen, wie in diesem Arbeitsschritt die Flachsfaser vom Stängel getrennt wird. Erst nach diesem wichtigen Schritt lässt sich das Flachs zu einem Faden spinnen, aus dem Leinen gewebt werden kann. Eingeladen waren alle, die Interesse an diesem in Vergessenheit geratenen Handwerk hatten.
«Ich bin wie die Jungfrau zum Kind gekommen», erklärt Ursula Wiederkehr Frei. Denn es ist das allererste Mal, dass sie Flachs bricht und so vorbereitet. «Ich habe mir auf die Pension einen Webstuhl gekauft», sagt die ehemalige Handarbeitslehrerin und Schulleiterin. So sei sie schrittweise zur Idee gekommen, Flachs anzubauen und daraus Leinenfaden zu spinnen, den sie zum Stoff weben kann. «Zuerst dachte ich mir, wir machen die Brächete selbst, aber als ich davon erzählte, waren viele an der Arbeit interessiert.» Deswegen habe sie gemeinsam mit ihrem Mann und Nicole Oehninger diesen Anlass organisiert.
Arbeit, die entschleunigt
Schon früher sei die Brächete ein Gemeinschaftsanlass gewesen, erklärt die Menzikerin Marlies Dürst, welche im Kurszentrum Ballenberg Interessierte in die Schweizer Flachskultur einführt. Bei der Brächete in Boniswil ist sie als Fachperson vor Ort und leitet Gross und Klein kompetent an. «Die Brächete ist das Tinder von früher», sagt sie lachend. Ein ganzes Dorf sei zusammengekommen und man habe gemeinsam den Flachs zur Weiterverarbeitung bereitgemacht. «Wir sind froh, dass sie uns anleiten kann», betont Ursula Frei Wiederkehr. Sie selbst hat aber auch schon ein breites Wissen, dies wird im Gespräch klar. Ohne Probleme erklärt die Boniswilerin die verschiedenen Arbeitsschritte und was dann mit dem Material passiert. «Wir hatten am Morgen eine Stunde Crashkurs, in dem uns Marlies Dürst alles beibrachte», lacht sie.
Den Anwesenden macht die Brächete auch sichtlich Spass. Auch Kinder können tatkräftig mithelfen und zeigen am Ende mit Stolz die gewonnene Langfaser, aus der später der Faden gesponnen wird. «Es öffnet einem die Augen, wie viel Arbeit dahintersteckt», sagt eine Frau bewundernd. Es sei heutzutage selbstverständlich, in einen Laden zu gehen, eine Leinenhose zu kaufen und dabei nicht mehr als 40 Franken zahlen zu wollen. Wenn man sieht, wie viel Zeit in die Herstellung eines einzelnen Fadens fliesse, dann werde man nachdenklich, pflichtet eine weitere Frau bei. «Es hat etwas Meditatives», meint jemand in einem Gespräch. So eine Entschleunigung sei wichtig in der heutigen Zeit, in der alles immer schnell gehen müsse. Sowieso scheint es, als gewinne die Handarbeit und alles damit Verbundene wieder einen grösseren Stellenwert in der Gesellschaft. Und Anlässe wie die Flachs-Brächete in Boniswil tragen bestimmt dazu bei.
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