Vor Kurzem sorgte ein Aufschrei in der Schweizer Medienlandschaft für Aufsehen. Er wurde von der grössten Schweizer Tageszeitung lanciert und entpuppte sich schnell als Sturm im Wasserglas, denn er ist schon wieder vorbei. Trotzdem hat er die Debatte um das beliebte «Pfünderli» neu entfacht, das einmal mehr zum Prädikat Billigbrot degradiert wurde.
Die Schlagzeile eines Neunundneunzig-Rappen-Brotes riss die Konsumenten kurzzeitig aus dem Alltagstrott. Die Empörung in den Social Medias oder in Leserbriefen war gross. Beim Discounter sah es jedoch anders aus: Die Brotregale waren leer. Auch beim Grossverteiler, der den Preis sogar auf fünfundneunzig Rappen senkte, zeigte sich kein anderes Bild. Die Taktik ging offenbar auf. Wie reagiert das traditionelle Bäckereihandwerk auf dieses Kalkül der Grossverteiler?
Das Kalkül der Grossverteiler
Die Antwort ist einfach und nichts anders als gut durchdachte Werbung. Es sind einfache Lockangebote. Brot wird täglich konsumiert. Ein Brot für unter einem Franken macht neugierig. Kauft der Konsument zusätzlich auch noch das teurere Nussbrot, wird auf den Preis kaum mehr geachtet. So dient das gute Pfünderli seit Jahren als Lockvogel für Schnäppchenjäger und dem Grossverteiler als Brotopfer inklusive Quersubventionierung. Die Rechnung geht auf jeden Fall auf. Von einem Brot unter einem Franken verlangt der Konsument ja schliesslich auch nicht die gleiche Qualität wie von einem Brot direkt aus der Backstube.
Die Bäcker sind gefordert
Die traditionellen Bäcker sahen sich in der Folge gezwungen, Stellung zu beziehen. Nachgefragt in der Region, verdeutlichen die Berufsbäcker die entscheidenden Unterschiede zur Massenware.
Andreas Hofmann, Inhaber und Chef-Bäcker von der Konditorei-Bäckerei Hofmann in Reinach AG, bedauert den Missbrauch des «Pfünderlis» als Lockvogelangebot, der bereits seit Jahren stattfindet. Für ihn sind Handarbeit, schonendes Ausbacken und Qualität die stärksten Argumente für den Kauf beim lokalen Bäcker. Ein entscheidender Punkt ist die Ökobilanz. Das Brot wird frisch vor Ort von Grund auf hergestellt, wodurch lange Transportwege entfallen. Zudem verbessert die schonendere Herstellung mit längerer Gär- und Backzeit die Verträglichkeit und Haltbarkeit.
Kevin Sollberger, eidg. dipl. Bäcker-Konditormeister und Piratenbeck von der Erlebnisbäckerei in Gontenschwil, äussert sich deutlich. Es sei eine Geringschätzung eines Lebensmittels und der Arbeit vieler Menschen, von der Produktion des Mehls über die Logistik bis zur Backstube. Er nimmt die Billigbrot-Kampagne zum Anlass, auf die Wichtigkeit des regionalen Einkaufs hinzuweisen. Bäckereien bieten wertvolle Ausbildungsplätze an und vertreten ein uraltes, in unserer Kultur nicht wegzudenkendes Handwerk. Das Sterben der Bäckereien bereitet ihm Sorgen. Er appelliert an die Konsumenten, generell die KMU zu unterstützen.
Die Haltung der Bäcker ist klar. Es ist am Kunden zu entscheiden, was ihm die Qualität der Lebensmittel wert ist.
Fazit: Qualität versus Bequemlichkeit
Eine Umfrage unter Passanten bestätigte, dass Billigbrote im Grunde nicht gerechtfertigt seien. Gleichzeitig gaben einige zu, dass der Gang zum Bäcker «bequemlichkeitshalber» oft ausfalle und das Brot im Supermarkt gekauft werde.
Das Pfünderli zu fünfundneunzig Rappen steht somit als Symbol der Wohlstandsgesellschaft. Anstelle von Qualität wird ein billiges Produkt gekauft, das den Qualitätsansprüchen oft nicht gerecht wird. Sollte der Konsument es schaffen, wieder vermehrt bei den lokalen KMU einzukaufen, anstatt zum Billiganbieter zu rennen, wäre dies eine grosse Bereicherung für das Dorfleben. Nicht nur der Bäcker würde profitieren, nein, auch die gesamte Sozialstruktur wie der Metzger, das Reformhaus, die Drogerie oder auch ein Haushaltsgeschäft. Das Billigprodukt beim Discounter würde schlussendlich einen sinnvollen Beitrag zur Bewusstseinsbildung im Einkaufsverhalten des Konsumenten auslösen.
Dominique Rubin

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