Am 26. Oktober 2025 fiel der letzte Konzertvorhang der «Rymenzburger Singers» im «Huus 74» in Menziken. Das Treffen mit fast 40 Sängerinnen und Sängern aus allen Epochen des Chors war der wehmütige und erinnerungsfreudige Abschluss nach 52 Jahren. Eine Geschichte ohne Vereinsstatus, die vom Lagerfeuergesang der Rymenzburger Pfadi bis zu vielgelobten Konzerten in vollen Häusern reichte, nahm ihr Ende.
«Ich denke mit Wehmut, Freude und grosser Dankbarkeit an die abwechslungsreiche musikalische Reise mit den Rymenzburger Singers zurück», sagt Hanspeter Röthlin (76) aus Menziken. Als einer der Gründungsmitglieder und langjähriger Dirigent prägte er den engagierten Laienchor mit.
Über hundert motivierte Sängerinnen und Sänger haben im Verlauf der 52-jährigen Geschichte in abwechselnder Zusammensetzung im Laienchor mitgewirkt. «Schon Jahre zuvor unterhielt die Pfadiabteilung «Rymenzburg» eine Singgruppe. Volkslieder aus aller Welt und Negro Spirituals gehörten zum Lagerfeuergesang mit Gitarrenbegleitung», erinnert sich Heinz Schiess (78). Als 11-Jähriger «Strick» war er bereits der Pfadi beigetreten und führte sie Jahre später als Korpsleiter a.i. an.
René Fuchs
Anders erging es Hanspeter Röthlin. Als Reinacher Bäckerssohn war ihm anfänglich der Pfadibeitritt verwehrt. Es galt für ihn, jeweils am Samstag die Backstube zu reinigen. Erst als 22-jähriger Lehrer stiess er zum Pfaditeam Rymenzburg. Die Idee entstand, gemeinsam Chorlieder zu singen. Erste Proben fanden 1973 alle drei Wochen an einem Sonntagmorgen im Reinacher Pfadiheim statt. Hochzeitsauftritte innerhalb der Pfadifamilie bildeten ein ausgezeichnetes und humorvolles Übungsfeld. Ziel der vierzigköpfigen Schar war aber ein Auftritt am ersten Schweizerischen Pfadi-Folk-Fest 1975 in Winterthur. «Weg vom passiven Musikkonsum durch Schallplatten und Radio und raus mit der Gitarre und der eigenen Stimme», lautete dessen Motto. Der Anlass traf den Nerv der Zeit: Um die 70 Musikgruppen nahmen am Festival teil. Kurz zuvor hatte der Gemeinderat Menziken der Rymenzburger Pfadi die Bewilligung erteilt, im Singsaal des Primarschulhauses am Sonntag üben zu dürfen.
Einzige singende Pfadi
Von den Vindonissa Singers inspiriert, traten somit die «Rymenzburger Singers» erstmals in Winterthur mit ihrem Namen auf. Die angeordneten orangen T-Shirts mit einzeln aufgedruckten Buchstaben des Chornamens fielen sofort ins Auge. «Wir waren der einzige Chor am Pfadi-Folk-Fest», erinnert sich Hanspeter Röthlin alias «Buffo». Der Erfolg verlieh der singenden Oberwynentaler Pfadi wahrhaft Flügel. Nach weiteren Teilnahmen 1976 und 1977 in Winterthur stand die Herausgabe eines eigenen Tonträgers auf dem Programm. «Wir haben nicht die Absicht, mit der von uns besungenen Langspielplatte das grosse Geld zu verdienen», gab Hanspeter Röthlin anlässlich einer kleinen Pressekonferenz im Tonstudio von Urs A. Huber in Wohlen Martin Suter vom «Wynentaler Blatt» Auskunft.
13'000 Meter Band wurden in rund 100 Arbeitsstunden besungen, abgehört, ausgewählt und geschnitten. Mit einer Auflage von 1000 Stück fand die Vinylscheibe mit 16 Chorliedern unter Freunden und Verwandten regen Absatz. Damalige Hits wie «Mit Lieb bin ich umfangen», «Go tell in the mountains», «Du fragsch, was i möchte singe» oder «Quando sali de Cuba» gehörten dazu. Der Spruch «Allzeit bereit – auch vor dem Mikrofon» machte nun vermehrt die Runde. Denn dem jugendlichen Alter entronnen, gehörte der Chor bald zu jedem Hochzeitsprogramm der Pfader.
An choreografischen Einfällen mangelte es nie: Seien es zusammengenähte Leintücher, unter denen die Chormitglieder einmarschierten und durch Schlitze die Köpfe singend ins Freie streckten oder ein umfassendes Radioprogramm aus dem Studio Gontenschwil mit passenden «Verkehrsmeldungen» und «Wetterprognosen».
Auftritte in Muttertagsgottesdiensten und Adventskonzerten in den Kirchen von Gontenschwil, Reinach und Menziken gehörten nun in der Folge ebenso dazu wie legendäre Konzerte im Reinacher Theater am Bahnhof. Ein besonderes Highlight war der erste offizielle Auftritt im TaB. «Run auf Rymenzburger Singers» titelte die Regionalzeitung.
«Wir waren der einzige Chor, der damals querbeet Volkslieder, Negro Spirituals, Gospel- und Popsongs zum Besten gab», erinnert sich Hanspeter Röthlin erfreut. Die «Rymenzburger Singers» knackten mit über 200 Personen den Besucherrekord im TaB. Dazu beigetragen hatte auch Conférencier Heinz Schiess, der humorvoll und wortgewandt dem Publikum zu seinem guten Geschmack gratulierte, ans Konzert gekommen zu sein.
Mit Chorbearbeitungen aus der Schlager- und Musicalszene gastierten die «Rymenzburger Singers» in den folgenden Jahren mehrmals im TaB. Unvergessen bleibt der Auftritt inmitten von Blechrollen, Hubstaplern und einem WSB-Wagen 1993 in einer vollbesetzten Fabrikhalle in Leimbach. Inzwischen hatte Ruedi Remund den Taktstock übernommen. Zusammen mit Solisten und einer Band leitete er ein ganz besonderes Chorkonzert: u.a. mit den bekannnten Ohrwürmern «Monday-Monday», «Bridge over Trouble Water», «Gloria» ...
Die Jahre zogen ins Land
Ganz anders tönte es 1995 mit Liebesliedern aus der Renaissance, Barock, Klassik, Romantik und der neueren Zeit im Innenhof des Mittelstufenschulhauses in Menziken. 2002 feierten die «Rymenzburger» unter der Leitung ihrer drei Dirigenten Ruedi Remund, Hanspeter Röthlin und Simon Möesch ihr 30-jähriges Bestehen. Die Leute kamen in Scharen und erfreuten sich am besinnlichen Teil in der reformierten Kirche in Menziken und einem lockeren im Kirchgemeindehaus. Der Rückblick liess die Zeitspanne vom Lagerfeuergesang zum gepflegten Chorgesang aufleben.
Die Jahre zogen ins Land, Weihnachtssingen wechselten sich mit vielbesuchten Konzerten in Kirchen ab. Wahrlich zu einer Stuhlknappheit kam es 2012 bei der Glanznummer der «Rymenzburger Singers» zu ihrem 40-Jahr-Jubiläum mit Spaghettiplausch in der ehemaligen Kantine ALUette in Menziken. Flower-Power, Woodstock und Santana prägten das perfekte 60er- und 70er-Jahre-Feeling. Dazu gehörten mit Blumen geschmückte Jeans, hippige Haarbänder und das Kniewippen der Swinging Sixties. Das Chorleiterpaar Susanne Oldani und Rudolf Remund hatte mit Hits wie «Operator» und «Java Jive» der Manhattan Transfers ins Schwarze getroffen.
Unter der Leitung von Martin Beerle gelang 2014 ein weiterer Glanzpunkt des Chorlebens. Unter dem Leitmotto «Liebe und so … « wurden Hits wie «Marmor, Stein und Eisen bricht» mit voller Inbrunst zelebriert; ebenso 2016 mit dem Konzertprogramm «Girls, Girls, Girls» im Kirchgemeindehaus Menziken.
Die Multimediashow «Wie alles begann» leitete 2018 mit den vorgetragenen Highlights «Unsere Lieblingslieder – für Sie neu arrangiert» langsam, aber unweigerlich das Ende der «Rymenzburger Singers» ein. Obwohl hie und da neue Sängerinnen und Sänger gefunden wurden, rückte der Altersdurchschnitt immer weiter nach oben. Der Ausbruch der Pandemie trug das Seinige bei. 2022 musste der bunte Liederabend «Querbeet» in der Gärtnerei Uetz in Menziken coronabedingt abgesagt werden.
«Staying Alive» mit Evergreens aus Pop, Swing und weltlichen Werken a cappella waren im Menziker Kirchgemeindehaus 2024 das letzte abendfüllende Konzert, dem nur noch ein Kurzauftritt beim ersten Erleuchten des Burger Adventssterns folgte.
Am 26. Oktober 2025 hat sich der Chor anlässlich eines Abschlussfestes aufgelöst, nach mehr als fünfzig Jahren. Gut ein halbes Jahrhundert lang hat der engagierte Laienchor in der Region aargauSüd vielen Menschen mit seinen schwungvollen Melodien, unvergessenen Events und einer grossen Ausstrahlung viel Freude bereitet. Dafür gilt all den verschiedenen Dirigenten, Conférenciers, den musikalischen Begleitern, den Sängerinnen und Sängern, den Fans ein grosser Dank. Chapeau!
Und ob es vielleicht einmal eine «Chor-Stubete» der Ehemaligen und Fans zur Erinnerung gibt? Wer weiss …?




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