«Prosit Neujahr!»
Meine Frau und ich waren im Bündnerland in den Ferien und wollten an eine Silvesterparty auf der Motta Naluns gehen, um das Bergpanorama bei Nacht zu geniessen. Doch schon beim Eingang zur Seilbahn gab’s Ärger: Getränke mitbringen nicht erlaubt! So mussten wir unseren Neujahrs-Prosecco widerwillig bei einem der Seilbahnarbeiter abgeben.
Die nächste Überraschung erwartete uns beim Aussteigen aus der Gondel: Eine endlos lange Menschenschlange stand da und kam nicht vom Fleck. Weiter vorn hiess es: Jackenabgabe. Wir hatten absolut keine Lust, unsere Mäntel abzugeben. Also nichts wie weg hier! Wir kämpften uns durch die anstehenden Leute zur Seilbahn zurück und fuhren wieder ins Tal hinab. Der Arbeiter war noch da – der Sekt erstaunlicherweise auch. Erst standen wir eine Weile da und fragten uns ratlos: Was nun? Wir marschierten drauflos und stapften bergan durch den Schnee, bis wir an einen kleinen Felsvorsprung kamen. Eine wunderbare Aussicht auf das Tal, das Schloss Tarasp und das umliegende Gebirge tat sich auf. Schon bald begannen die Kirchenglocken das alte Jahr aus- und das neue einzuläuten.
Die schneebedeckte Natur, Mond und Sterne, die grandiose Silhouette der Berge, das feierlich-andächtige Läuten der Kirchenglocken, Feuerwerk und später im Dorf eine spontane Feier im Portugiesen-Club: Es wurde
fantastischer Jahresübergang! Im Nachhinein wurde uns klar: Es hatte sein Gutes, dass der Abend anders verlaufen war als geplant.
Erfahren wir nicht auch sonst immer wieder im Leben, dass Ungebetenes und scheinbar Negatives Gutes bewirken kann und für etwas, das man zuvor nicht wissen konnte, nützlich ist? «Nützen» oder «für etwas gut sein» aber heisst auf Lateinisch «proesse». Von daher stammt der Ausdruck «Prosit Neujahr». Möge es uns nützen und zum Guten dienen, das neue Jahr, mit all seinen erwünschten und unerwünschten Berg- und Talfahrten!
Beim Jahreswechsel gehen die Gedanken gewöhnlich nach vorn und zurück. Was hat das vergangene Jahr an Höhen und Tiefen gebracht, was wird das neue wohl bringen, so fragen wir uns: für uns persönlich, für unsre Lieben, für die Welt, in der wir leben.
Manches ist ungewiss im Zeitenlauf. Vieles verändert sich. Vieles vergeht. Eines aber bleibt: «Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit.» (Hebr 13,8). Christi Botschaft, seine Liebe, sein Wesen und Wirken dauern fort über die Zeitenläufe hinweg. So wird auch das neue Jahr, was immer es bringen mag, von Gottes Segen erfüllt sein. Möge es der Welt zum Guten dienen und allen nützlich sein: «Prosit Neujahr!»
Pfarrer Heinz Brauchart, reformierte Kirchgemeinde
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