Gedanken zum 1. August

Fr, 29. Jul. 2016

«Die Zeiten ändern sich, und wir uns mit ihnen.» Diesen Ausspruch hab’ ich vor 66 Jahren als Lateinschülerr ins Deutsche übersetzt. Seinen wahren Kern habe ich an konkreten Situationen im Verlauf meines Lebens erfahren. Wir leben unser Leben vorwärts, verstehen es jedoch erst rückwärts.

«Unsere Welt verändert sich immer schneller, ohne dass wir alle Veränderungen mitvollziehen und begreifen können – worauf es eigentlich ankäme. Heute schreib’ ich bewusst gegen die Zeit, gegen das beschleunigte Tempo meines persönlichen Zeiterlebens. Durch das Schreiben versuche ich einen Damm zu errichten, der sich dem zu schnellen Zeitfluss entgegenstemmt: «Ich schreibe, also bin ich.» – «Sie lesen, also sind Sie.»

 

1937 geboren, hab’ ich den 2. Weltkrieg (1939-1945) nur aus dem Blickwinkel einer unbeschwerten Kindheit erlebt, besser gesagt davon gehört. Mein Bündner Dorf in der Surselva, für andere weit abgelegen, war für mich der Mittelpunkt einer eigenen und beschützten Welt, war meine Welt. Ohne Motorisierung und Digitalisierung sprach damals noch niemand von Globalisierung. So fand – Gott sei Lob und Dank – dieser Weltkrieg, dieser bislang grösste militärische Konflikt in der Geschichte der Menschheit, für mich weit weg und eben draussen in einer anderen Welt statt. Unglaublich, wenn ich heute bedenke, dass direkt oder indirekt über 60 Staaten daran beteiligt waren, über 110 Millionen Menschen unter Waffen standen, die Zahl der Kriegstoten zwischen 60 und 70 Millionen beträgt, und – mein Dorf, unsere Schweiz auf wunderbare Weise verschont blieben. Mein unvergesslicher 1. August war 1944 Was ich an diesem Nationalfeiertag mit 7 Jahren erfahren und erlebt habe, war nachhaltig, war das Fundament für all die 1. August-Ansprachen, die ich gehalten oder geschrieben habe. Zusammen mit Gleichaltrigen wartete ich auf dem Dorfplatz gespannt auf das Dunkel der Nacht. Einer aus unserer Gruppe hatte von Verwandten aus der fernen Stadt eine Schachtel bengalische Zündhölzer geschenkt bekommen. Gerade als ich an der Reihe war, freudig mein zugeteiltes Streichholz zu zünden und zu schwingen, packte mich jemand am Kragen, führte mich die grosse Hand meines Vaters nach Hause. Als Lehrer rief er uns sieben Kindern am Stubentisch in Erinnerung, dass ein grausamer Krieg tobe, wir am 1. August zusammen für Sicherheit und Frieden beten müssten, statt ausgelassen zu sein. – So ewig lang mir an diesem Abend der Rosenkranz vorkam und meine Gedanken mehr auf dem Dorfplatz waren, unser Beten wurde scheinbar erhört.

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