Für einmal jemand anderes sein

Do, 26. Jun. 2025
Das Theater BühnenVirus22 Gränichen präsentiert jedes Jahr ein neues Stück. Wichtig ist ihnen: Es soll die Zuschauer zum Lachen bringen.

Schon lange begleitet mich das Theaterspielen in meinen Gedanken. Menschen zu unterhalten und für zwei Stunden weg vom stressigen Alltag in eine andere Welt zu entführen, stelle ich mir grossartig vor. Wenn man dabei noch in eine Rolle schlüpfen kann, die einem in der Realität fern wäre, finde ich das umso aufregender. Um mein Können zu erproben, besuche ich für die Reportage «Blickwechsel» das Theater Bühnen-Virus in Gränichen. Die Theatergruppe übt zurzeit für die schaurige Kriminalkomödie «Schüsse im Schloss».

jaf. Als mir Roland Marti vorab eine Leseprobe anbietet, verneine ich dankend. Ich möchte unvoreingenommen und ohne jegliche Erwartung an das Proben herangehen. Doch je näher der vereinbarte Termin rückt, desto mehr bemerke ich eine Anspannung. «Vielleicht ist es keine schlechte Idee, wenigstens zu wissen, worum es im Stück geht», denke ich mir. Prompt erhalte ich auf meine Anfrage das Skript und ich beginne es beim Abendessen zu lesen. Während des Lesens vertiefe ich mich Zeile für Zeile mehr in das Stück und beginne mir vorzustellen, wie ich das Gelesene auf der Bühne präsentieren würde. Die Anspannung wechselt in eine Vorfreude und ich mache mich voller Erwartungen auf den Weg.

Fischers Fritz fischt frische …

In der Mehrzweckhalle Gränichen angekommen starten wir gleich mit den ersten Übungen. Strecken, vornüberbeugen, dehnen, mein Praktizieren von Yoga zahlt sich aus. Barbara Marti, die Regisseurin, erklärt mir, dass die Übungen gut sind, um das Zwerchfell zu lockern. Die anschliessende Reaktionsübung, bei der geklatscht, gesprochen und die Richtung gewechselt wird, erfordert Konzentration. Bis jetzt ist die lockere Atmosphäre jedoch vorherrschend und die Spässe untereinander begleiten die Übungen. «Gut – und jetzt sprechen wir noch einige Zungenbrecher», gibt Barbara vor und erhält eine etwas durchmischte Resonanz von der munteren Gruppe. Alle zusammen: «Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid bleibt Brautkleid»: Die klare Aussprache, die Richtigkeit und die Lautstärke sind dabei entscheidend. Nun noch jeder einzeln. Nicht gerade meine Stärke. Während die anderen deutlich schwierigere «Versli» aufsagen, beziehe ich mich auf den kurzen und simplen «Blaukraut»- Vers. Doch das Gute an dieser Übung ist, Versprecher sind gleichzeitig garantierte Lacher. Zungenbrecher halt.

«Action»

Nach dem Aufwärmen von Körper und Stimme beginnen nun die Proben der einzelnen Szenen. Die Schauspierinnen und Schauspieler, die in der anstehenden Szene involviert sind, begeben sich auf die Bühne und die anderen üben sich in Gruppen oder einzeln im Text Lernen. Ich spiele für heute Maria. Maria hilft ihrem etwas begriffsstutzigen Neffen Dennis, gespielt von Oliver Metzger, den versteckten Schatz im Schloss zu finden. Dieser hat jedoch noch seine gelangweilte Tochter Mona, gespielt von Elena Metzger, im Schlepptau, was nicht unbedingt förderlich ist für ihr Vorhaben. Freude kommt in mir auf, als wir drei an der Reihe sind. Die Szenen, die wir üben, ab Szene 42, sind bereits inmitten des Stücks. Dementsprechend habe ich trotz bemühender Vorbereitung keinen Plan, worum es geht. «Einfach machen», sagt mir meine innere Stimme.

Oliver erklärt mir hinter dem Vorhang noch kurz, worauf ich achten muss und welche Eigenschaften unsere gespielten Charaktere haben. Seine empathische Art wirkt beruhigend. Dann geht es auch schon los. Ich gebe mein Bestes, um eine gute Lautstärke zu erreichen, eine klare Aussprache zu haben und dann ist ja noch die Position entscheidend, der Charakter sollte auch noch authentisch transportiert werden und ja nicht den Einsatz verpassen. Uff… ganz schön herausfordernd. Zum Glück erwarten Barbara, wie auch meine Schauspielerkolleginnen und -kollegen keine Profi-Leistung. Na gut, nochmals von vorne, ganz entspannt. Ohnehin sind die Proben in der Anfangsphase und ich nicht die Einzige, die mit dem Textheft auf der Bühne steht. Nach jeder Szene gibt die Regie ein Feedback und bespricht offene Fragen. Mir fällt auf, dass Barbara einen guten Mittelweg findet, um ihr Feedback mit einer gewissen Ernsthaftigkeit zu übermitteln und dennoch eine motivierende Art beibehält, die die Schauspielenden aufbaut.

Der richtige Moment

Unsere Szenen sind für heute durch und Barbara lädt mich ein, mich der Souffleuse Claudia beizugesellen. Als Souffleuse hilft Claudia bei Texthängern. Ein anstrengender Part. Denn wie ich noch merken werde, können dabei kurze abweichende Gedanken schnell zum Verhängnis werden. Besonders bei denjenigen, die bereits in frühen Phasen des Probens ohne Text auf die Bühne gehen, sei es besonders wichtig, diese zu bestärken, erklärt mir Claudia. Der richtige Zeitpunkt, wann «greift» Claudia ein und liest den Text vor, ist entscheidend. «Das braucht Übung. Mit der Zeit kennt man die Schauspieler und weiss, wann sie Texthilfe benötigen. Wichtig ist, dass es rasch geht, denn ein zu langes Überlegen kann schnell demotivierend sein», erklärt mir Claudia. Die nächsten Szenen werden gespielt und sie zeigt mir es erst vor. Dann flüstert sie mir zu: «Versuchs du mal». Zeile für Zeile lese ich still mit, ein kurzes Zögern auf der Bühne kommt auf und ich, ich versuche die richtige Zeile zu finden, habe ich doch lediglich für ein paar Sekunden die Schauspieler beobachtet und nicht den Text mitverfolgt und verpasse den Einsatz. Schnell aus meinem Fehler gelernt, fixiere ich mich ab jetzt nur noch auf den Text.

Dann funktioniert es doch ganz gut. Nach einer Weile übernimmt Claudia wieder und ich bin erleichtert. Die kontinuierliche Konzentration, das richtige Gespür und das Fungieren als «Sicherheits-Backup» für die Schauspielenden machen den Job anstrengender als zuvor erwartet. Dies zweieinhalb Stunden lang zu tun, finde ich bewundernswert.

Neben der Regie

Als nächstes erhalte ich einen Einblick in die Regie. Vor Barbara sammeln sich ein Textheft mit Notizen, ein Laptop und noch mehr Notizen. Während sie echtes Multitasking beweist und sich auf dem Laptop die gespielten Szenen inklusiv Wiederholungen notiert, sich Änderungen im Textheft aufschreibt, Positionen ausarbeitet und gleichzeitig das Schauspiel beobachtet, sitze ich neben ihr und geniesse es, den Schauspielerinnen und Schauspielern zuzusehen. Besonders imponierend finde ich das exzentrische Spielen der langjährigen Mitglieder. Grosse Bewegungen, scharfe Mimik, eine immense Lautstärke und das leicht überspitzte Gestikulieren machen das Gesehene zu einem Erlebnis. Beeindruckend. Doch auch die jungen Talente zeigen ihr Können. Stefanie Marti, in ihrer erst dritten Inszenierung, spielt die verlorene Tochter im Stück. Ehrgeizig legt sie den Text zur Seite und weiss auch von ihren Schauspielkollegen, wann diese ihren Einsatz haben und wann eben nicht. So korrigiert sie mit ihrer sanftmütigen Art gleich ihren Kollegen, der zu früh auf die Bühne kommt und sie ihren Text nicht wie gewünscht fertig sprechen kann. Ein Moment, der nicht nur mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Während des Abends bemerke ich:Theater spielen kann was für die ganze Familie sein. Denn nicht nur Oliver und seine Tochter Elena spielen gemeinsam. Auch die gesamte Familie Marti ist ein fester Bestandteil der Theatergruppe. Was für ein wunderbares Hobby. Die Proben neigen sich dem Ende zu und nach zweieinhalb Stunden voller Impressionen und Einblicke macht sich bei mir die Müdigkeit langsam bemerkbar. Mein Fazit: Die gesamte Theaterprobe und nicht zuletzt auch die quirlige Truppe verschiedenster Individuen des Theaters BühnenVirus 22, konnten mir meine lang gehegten Gedanken positiv bestärken. Der Abend zeigte mir, wie facettenreich das Theaterspielen ist und wie bereichernd es für sich selbst und sein Leben sein kann, wenn ab und zu die Komfortzone verlassen wird.


«Blickwechsel»

Unsere Region hat viel zu bieten. Sei es Kultur, Sport, Soziales, Musik oder Natur. Gleichgesinnte, gleiche Bedürfnisse oder Tätigkeiten bewegen Menschen dazu, sich in Vereinen zusammenzuschliessen. Ich selbst würde mich nicht als Vereinsmensch bezeichnen, obwohl mir der Gedanke, zusammen ein Hobby auszuüben, Gemeinsames erarbeiten und erleben sehr gefällt. Das Bestehen solcher Zusammenschlüsse ist für unsere Region enorm wichtig. Wie bedauernswert es doch wäre, wenn es zum Beispiel keine Turnerabende mehr gäbe? Leider höre ich oft den Wunsch nach mehr Mitgliedern. Nun ist es an der Zeit, den Blick von innen nach aussen zu richten. Deshalb probiere ich verschiedene Aktivitäten in Vereinen und Institutionen aus, um mehr über das Vereinsleben und regionale Tätigkeiten zu erfahren.

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