Wetter
Vor ein paar Tagen im Einkaufszentrum: Ich erwische gerade noch den Lift, um mit meinem Wägeli ins Parkhaus zu fahren. Das ältere Paar, das schon im Lift stand, lächelt mir zu: «Sie müssen nicht rennen, dafür ist es heute zu heiss.» «Wie recht Sie haben. Aber wir wollen ja nicht klagen.» Nach diesen zwei Sätzen ist alles gesagt. Wir wünschen uns einen schönen Tag und gehen auseinander.
Szenenwechsel, vor fast 30 Jahren auf einer Auto-Rundreise durch Florida, auf einem tief verregneten Parkplatz eines Nationalparks: Ein-Einheimischer steigt neben mir aus dem Auto und versucht, einigermassen trockenen Fusses ins Besucherzentrum zu gelangen. Dabei sagt er etwas wie «verdammt starker Regen». «Ich habe noch nie so einen Regenschauer erlebt», bestätige ich.
Noch ein Sprung, diesmal zum Eingang einer grossen Tropfsteinhöhle in Slowenien: Die Führerin, welche uns durch die Höhle begleiten soll, zittert. Es ist Winter und entsprechend kalt.Als sie mich mit einer dünnen Jacke sieht, fragt sie mich fürsorglich, ob ich nicht friere. Ich verneine und erkläre ihr gestikulierend und mit einem Gemisch aus Deutsch und Englisch, da ich kein Slowenisch kann, dass ich kühle Temperaturen als recht angenehm empfinde. Obwohl ich ihr ansehe, dass sie das nicht nachvollziehen kann, lassen wir es dabei bewenden und ich geniesse die Tour durch den Untergrund.
Letzte Szene, Wien im Jahr 1985. Der Wetterbericht sagte Regen und Wind voraus. Stattdessen ist es sonnig und warm. Eine betagte Dame sitzt mir im Bus gegenüber, sieht, wie ich schwitze und zeigt mir, dass wohl auch sie auf den falschen Wetterbericht hereingefallen war. Mit einem Schmunzeln sagt sie mir: «Ah geh, weissts, der Petrus is halt eh scho an oalda Mann.» Nicht nur ich, auch die umstehenden Personen im Bus, welche die Szene mitbekommen haben, lachen. Vielen von ihnen geht es genau gleich.
Fazit: Ganz egal, ob wir lieber Regen, Sonne, Hitze oder Kälte haben; das Wetter ist ein Thema, das immer für ein kurzes Gespräch herhalten kann. Schliesslich betrifft es uns alle. Und egal, ob man sich mit seinem Gegenüber einig ist oder nicht, man findet immer einen einvernehmlichen Konsens. Das gilt offenbar − gemäss meiner Erfahrung − überall auf der Welt und funktioniert immer.
Wenn ich mir die Nachrichten der letzten Monate anschaue und anhöre, von kriegerischen Auseinandersetzungen, ideologisch geprägten Konflikten und religiösem oder anders geartetem Fanatismus vernehme, dann wünschte ich mir inständig, die Mächtigen dieser Welt würden sich an einen Tisch setzen und einfach einmal übers Wetter reden.
Roland Marti
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