Die «Hochschule» auf der Burg

Mi, 31. Dez. 2025
Das Dorfzentrum mit dem «Hämärtplatz» um 1980. (Bilder: zVg.)

Unser diesjähriges Titelbild zum Ende des Jahres wurde wiederum von der Pfeffiker Künstlerin Elvira Schmed eigens für das Wynentaler Blatt gestaltet. Es zeigt das 1874 errichtete Schulhaus auf der Burg.

«Man sagt nicht, man fahre nach Burg, oder man wohne in Burg», wurde einem auswärtigen Redaktor des Wynentaler Blatts in einem Wynental-Crashkurs beigebracht. Korrekt hiesse es «Man fährt auf die Burg, respektive man wohnt auf der Burg.» «Auf der Burg», diese Bezeichnung ist gerade im Fall des Schulhauses wortwörtlich zu verstehen. Denn dieses steht tatsächlich auf den Überresten einer mittelalterlichen Burg mit bewegter Geschichte.

Wahrscheinlich im 12. Jahrhundert baute sich ein niederes Adelsgeschlecht, das im Dienste der mächtigen Grafen von Lenzburg stand, im Oberwynental eine Wohnburg. Sie erhielt auf dem heutigen Burger Schulhügel einen auserwählten Platz mit Blick über das ganze Tal. Da die Burg auf Boden stand, der damals rechtlich mit Reinach verbunden war, nannten sich ihre ritterlichen Bewohner fortan «von Rynach».

Als die Grafen von Lenzburg ausstarben und die Lenzburg mit allem Zubehör in andere Hände überging, wechselten auch die Rynacher ihre Oberherren. Sie wurden vor 1223 kyburgische, 1273 habsburgische Ministeriale oder Dienstleute. Sie übernahmen den roten Habsburgerlöwen auf goldenem Schild gar als Familienabzeichen. Zur Unterscheidung setzten sie ihm einen blauen Kopf auf. Heute führt die Gemeinde Reinach dieses alte Wappen.

Im 14. Jahrhundert dehnten die von Rynach ihre Herrschaft im Oberwynental aus. Sie erreichte um diese Zeit ihren Höhepunkt und umfasste nebst dem um den Emmethof erweiterten Burgbezirk die Dörfer Rickenbach, Niederwil und Mullwil sowie höchstwahrscheinlich auch die Hofsiedlungen Maihusen und Geisshof.

Der Sempacherkrieg

Es waren schliesslich nicht finanzielle Probleme, die das weitere Aufblühen der Herrschaft verhinderten, sondern der Sempacherkrieg, die Auseinandersetzung Habsburg-Österreichs mit der erstarkenden Eidgenossenschaft. Die längst gespannte Lage entlud sich 1385 in einem Kleinkrieg. In Streifzügen verwüstete man sich gegenseitig das Gebiet. Die Eidgenossen rückten aus den Waldstätten bis in die Gegend von Beromünster vor und zerstörten die Besitzungen der österreichischen Ritter, zu denen ja auch die Rynacher gehörten. Diese mussten mitansehen, wie ihre Burgen in Flammen aufgingen. Nur rauchende Trümmer blieben übrig. In einem Rachefeldzug bis in die Nähe der Stadt Luzern brannten die österreichischen Ritter darauf alles nieder, was ihnen in die Finger kam. Ihre eigenen Burgen aber machten sie damit nicht wieder ganz. Schliesslich kam es im Juli 1386 zur bekannten Schlacht bei Sempach, bei der mehrere Ritter von Rynach den Tod fanden.

Ruine überdauert Jahrhunderte

Von den insgesamt drei Burgen derer von Rynach blieben nur Ruinen übrig und die Zukunft für die Herrschaft Rynach war ungewiss. Die Rynacher Stammburg auferstand nie wieder. Nur die Ruine überdauerte die Jahrhunderte und wechselte mehrmals die Hand. Einige Male wurde die Ruine gar bis auf Achtelteile aufgeteilt. Um 1800 brachte Müller Hans Rudolf Fischer aus Reinach oder sein ältester Sohn Samuel die gesamte Ruine in seinen Besitz. Dies, weil er die Steine sehr gut gebrauchen könne.

1851 zeigte Baron Karl von Reinach-Hirzbach aus dem Elsass Interesse an den Ruinen der drei Rynacher Burgen. Als Nachkomme der Ritter von Rynach wollte er gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Alois von Sonnenberg und Oberst Adolf Fischer über den Kauf der Stammburg seiner Ahnen verhandeln. Wegen des gut erhaltenen Bergfrieds erschien ihm zunächst die untere Rynachburg besonders geeignet. Doch der Hinweis, deren Lage über einer dicht besiedelten Gegend könnte bei der Bevölkerung alte Ressentiments wecken, verunsicherte den Baron. Er entschied sich schliesslich für die Ruine Oberrynach. Der Turm auf dem Burger «Schlosshügel» blieb damit im Besitz der Familie Fischer.

Geschenk an die Gemeinde

In den folgenden Jahrzehnten änderte sich das Schicksal der Ruine grundlegend. Die Gemeinde Burg litt unter Platzmangel im Schulwesen und beschloss 1869 den Bau eines neuen Schulhauses. Nachdem sich ein erster Standort als ungeeignet erwiesen hatte, beauftragte die Gemeindeversammlung 1870 den Gemeinderat, mit der Familie Fischer über den Erwerb der Schlosshügel-Ruine zu verhandeln. Nach längeren Gesprächen erklärten sich die Besitzer bereit, die Ruine der Gemeinde 1871 unentgeltlich zu überlassen. Am Silvestertag des gleichen Jahres, also genau heute vor 154 Jahren, entschlossen sich die Burger Stimmbürger mit grosser Mehrheit, die willkommene Gabe «dankbar anzunehmen»; und der Gemeinderat liess «eine Dankerwähnung im Wynenthalerblatt und im Schweizerbot einrüken».

1872 kaufte die Gemeinde zusätzliches Land, liess den Hügel abtragen und begann im Juni mit dem Abbruch des Burgturms, der sich noch immer als sehr stabil erwies. Allein für diese harte Arbeit waren 2233 Manntage nötig.

Der Schulhausbau folgte 1874. Zuerst war ein zweistöckiger Bau vorgesehen. Um jedoch für die Zukunft gewappnet zu sein, entschloss man sich für ein dreistöckiges Schulhaus. Der dritte Stock diente als Saal für Gemeindeversammlungen, Vereinsveranstaltungen, Konzerte und dergleichen. Im Parterre war die Gemeindekanzlei untergebracht und daneben das «Chefi», dessen quietschende Eisentüre noch lange den «Gvätterlischülern» das Fürchten beibrachte.

Einweihung im Jahr 1875

Am 12. November 1875 wurde das heutige Schulhaus feierlich eingeweiht. Prosaisch hiess es dazu unter anderem: «Sie stehe nun da auf deiner hohen Warte, die Erziehungsstätte unserer Jugend und Nachkommen, blühe und treibe zu allen Zeiten, deinem hohen Standpunkt gemäss, die Früchte zur Reife und Ernte, die aus dir erhofft werden».

Da Burg damit das höchstgelegene Schulhaus besass, habe einmal ein Spassvogel gesagt: «Burger können noch so dumm sein, sie besuchen alle die Hochschule!» Erbaut wurde das Schulhaus durch das damals bekannte Baugeschäft Bär aus Menziken, unterstützt von zahlreichen Handwerkern aus nah und fern.

Roland Marti

Quellen
Jahresschrift 1972 der Historischen Vereinigung Wynental 250 Jahre Burg, Ortsbürgergemeinde Burg, 2001

 

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