Klebrig
Ich bin auf dem Weg in die Redaktion und stehe vor einer Kreuzung am Rotlicht. Da fällt mein Blick auf den Plakatmann, der sich anschickt, die rechte Hälfte eines neuen Plakats auf die leere Wand zu pflastern. Er taucht seinen Besen in einen Kübel mit flüssigem Leim und streicht damit grosszügig die vorgesehene Klebefläche ein.
«Komisch», denke ich. «Die machen das ja immer noch wie eh und je.» Ich frage mich, ob es dafür nicht modernere Methoden gäbe. Spontan fallen mir selbstklebende Motive ein, und vor meinem geistigen Auge erscheinen beispielsweise die bunten Pril-Blumen, wie sie in den 1970er und 80er-Jahren in fast jeder Schweizer Küche auf Wandplättli klebten. Von denen gabs jeweils zwei oder drei Stück auf einer Spülmittelflasche. «Wieso sollte man nun Plakate auf Spülmittelflaschen kleben?» meldet sich mein Gedankenkarussell. Ich schmunzle. Was gibt es noch? Gummierte Klebeflächen, die nur angefeuchtet werden müssen. Als ehemaliger Pöstler mit jahrelanger Schaltererfahrung kenne ich die natürlich noch von damals, als Briefmarken noch gummiert waren und ins gelbe, nasse Schwämmli gedrückt wurden, bevor man sie verkleben konnte. Es gab auch Couverts mit gummierter Lasche. Als Kind habe ich diese natürlich gerne mit meiner eigenen Zunge abgeleckt. Auch Briefmarken, die schmeckten sogar noch besser. Ich stelle mir grad vor, wie das aussehen würde, wenn der Plakatmann die ganze Fläche mit seiner Zunge ...
Das Hupen des Hintermannes reisst mich aus meinen Gedanken. Die Ampel steht auf Grün. Manche Dinge sollte man so lassen, wie sie sind. Alles Gute, Plakatmann!
Roland Marti

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